Norbert Schuster sen.
(1866 – 1926)

Schulrat Norbert Schuster sen. wurde am 23. Februar 1866 als Sohn eines Lehrers in Untermeitingen geboren. Nach Abschluß des Lehrerseminars in Lauingen hielt er an der Seite seines Vaters in Bobingen Unterricht, bis er 1892 seine erste Anstellung in Untergermaringen erhielt. 1896 kam der junge Lehrer nach Gabelbach und unterrichtete um 1899 in Reichertshofen. Am 1. November 1902 kam er als Lehrer und Chorregent nach Burgau, nachdem  diese Stelle verwaist war. Unter sieben Bewerbern wurde er nach reiflicher Überlegung und eingehender Überprüfung der Qualifikation in diesen Dienst übernommen. So wird berichtet. Wie sich dann herausstellte, war dies eine glückliche Entscheidung, sowohl für die Stadt als auch für die Kirchengemeinde. Noch vor gut 20 Jahren erzählten ältere Mitbürger, die noch bei Schulrat Norbert Schuster in die Schule gingen, voll Hochachtung und Respekt von ihrem Lehrer.

Der in Burgau geborene Toni Elzer erinnert sich an seinen ehemaligen Lehrer: „Norbert Schuster war ein prächtiger Pädagoge, einer der besten Lehrer, die Burgau jemals gehabt hat. Er konnte wunderbar erzählen, und das Lesen, Rechnen, Schreiben und Zeichnen gingen ihm so leicht von der Hand.“
Philipp Riederle, ebenfalls ein ehemaliger Schüler, Verlagskaufmann und Hauptgeschäftsführer des Deutschen Zeitungsverlegerverbandes in Bonn, kehrte nach seiner Pensionierung in sein geliebtes Heimatstädtchen Burgau zurück. Er erzählte gerne, dass er seinem damaligen Lehrer Norbert Schuster sehr viel verdankte. Er brachte ihm unentgeltlich das Maschinenschreiben bei. Damit konnte er beim „Burgauer Anzeiger“, unserer damaligen Heimatzeitung, eine Lehre antreten. Sein weiterer beruflicher Weg führte ihn zu verschiedenen Verlagen darunter auch nach Freiburg und nach dem Kriegsdienst im 2. Weltkrieg nach Bonn, in die ehemalige Hauptstadt der Bundesrepublik. Er betonte stets, dass er ohne Gymnasium oder Studium diese Karriere durchlief, weil sein alter Lehrer ihn richtig und rechtzeitig gefördert hatte.


Die Tüchtigkeit als Lehrer, die Kollegialität und die Hilfsbereitschaft von Norbert Schuster waren auch über Burgau hinaus bekannt. Im Jahre 1919 wurde er deshalb zum Schulrat des Amtsgerichtsbezirkes Burgau gewählt.

 
Norbert Schuster sen. (außen rechts mit dem Strohhut)

Neben der schulischen Arbeit versah Schulrat Schuster auch das Amt des Chorregenten in der Stadtpfarrkirche. Die Ausbildung für diesen Dienst, wie Gesang, Orgelspiel und Chorleitung, war ein sehr wichtiger Teil der damaligen Lehrerausbildung. Die Anforderungen, besonders in größeren Orten waren beachtenswert: Jeden Sonn- und Feiertag eine vom Chor gesungene und von der Orgel begleitete lateinische Messe, Mitwirkung des Kirchenchors bei Trauergottesdiensten (Requien) und bei vielen Beerdigungen. Auch bei manchen Wochentagsgottesdiensten musste der Chorregent die Lieder aus dem „Laudate“ (Gesangbuch Gotteslob) mit der Orgel begleiten. Zudem waren auch Chorproben vor größeren Aufführungen mit dem Kirchenchor nötig. Gemessen an dem hohen Zeitaufwand war die Bezahlung sehr spärlich, aber für einen Lehrer, der eine Familie zu ernähren hatte, dennoch ein willkommenes Zubrot für sein gewiss nicht  üppiges Lehrergehalt. Aber Chorregent Schuster versah auch diesen Dienst gewissenhaft und gerne. Darüber steht in der Chronik: „Was die Pfarrgemeinde in dieser Zeit an frohen und traurigen Tagen in der Kirche durchlebt hat – Schulrat Schuster hat mit seiner Kunst stets den stimmungsvollen Rahmen gegeben.“

Norbert Schuster stieß bei seiner Arbeit im städtischen Archiv auch auf die Texte und Partituren des großen Burgauer Passionspiels „Jesus, der göttliche Erlöser“, komponiert vom Augsburger Domkapellmeister Franz H. Bühler (1760-1823). Mutig versuchte er mit dem Kirchenchor einen Choral daraus einzuüben. Er merkte aber rechtzeitig, daß er seine Sängerinnen und Sänger mit den Schwierigkeiten dieses Werkes überforderte. Verständnisvoll und ohne Aufsehen legte er die Partituren zurück ins Archiv, wo sie wieder lange Jahre unbeachtet lagen. Diese Episode erzählte sein Sohn, Oberlehrer Norbert Schuster, bei Gelegenheit einmal. Sie zeigt aber, dass der Vater seine Möglichkeiten und die seines Chores mit Augenmaß beurteilte und den Verdacht des Versagens und des Unvermögens erst gar nicht aufkommen ließ. Es war ja nur ein Versuch gewesen. Erst der Musikpädagoge und Leiter des Burgauer Kammerchores, Herwig Nerdinger, konnte nach langer Vorbereitungszeit einige Teile aus diesem Passionsspiel in der Stadtpfarrkirche aufführen. Er verfügte dazu aber über ausgesuchte Chorsängerinnen und –sänger, über bekannte Solisten und über ein Berufsorchester.

Im privaten Bereich hatte Norbert Schuster sen. bereits in Untergermaringen eine Familie gegründet. Seine Frau Sophie, geb. 1867 als Sophie Metzger, gebar am 27. Juli 1896 in Untergermaringen ihre erste Tochter, Josefa Schuster. Diese heiratete 1919 in Burgau den Kassenverwalter Georg Heichlinger. In Gabelbach kam am 8. Mai 1898 der Sohn zur Welt, der nach dem Vater Norbert getauft wurde. Ein Jahr später (1899) wurde die zweite Tochter geboren: Rita Schuster. Sie wurde Krankenschwester in Augsburg, verstarb 1979 und wurde im Familiengrab Schuster im Burgauer Friedhof bestattet.

Lehrer, Chorregent und Familienvater sind Aufgaben, die einen Menschen voll in Anspruch nehmen. Schulrat Schuster war aber ein besonders aktiver und rühriger Mensch. Er beteiligte sich rege am gesellschaftlichen Leben der Stadt. Als Dirigent leitete er über viele Jahre den Gesangsverein. Auch in anderen Vereinen und Organisationen schätzte man ihn sehr als Helfer und Berater. Es wird berichtet: „In den schweren Jahren des ersten Weltkriegs schenkte Schulrat Schuster der Mindelstadt seine ganze Kraft. Wo er konnte, half er der leidgeprüften Bevölkerung. Er schrieb, um nur eine seiner Hilfeleistungen herauszugreifen, für Kriegerfrauen und -mütter weit über 1200 Gesuche über die Beurlaubung ihrer Männer und Söhne zur Feldarbeit.“

Trotz der Belastung bei der Bewältigung all dieser Aufgaben fand er immer noch Zeit für seine liebste Beschäftigung, für die Erforschung der Heimatgeschichte.  Eifrig vertiefte er sich in die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte unserer Stadt. Er hatte große Freude an der Deutung von Flur-, Straßen- und Hausnamen. Aber ganz besonders lag ihm die Schaffung eines Heimatmuseums am Herzen. In mühevoller Kleinarbeit sammelte er mit gleichgesinnten Mitbürgern Sachen, die aus früheren Zeiten noch vorhanden waren: Gebrauchsgegenstände aus dem Haushalt, aus Küchen, Stuben und Kammern, alte Gerätschaften aus der Landwirtschaft, Werkzeuge und Erzeugnisse aus dem Handwerk, Kunstgegenstände aus kirchlichem und profanem Bereich, alte Münzen, Maße und Gewichte und vieles mehr. Das Sammelgut häufte sich an. Es wurde geordnet und registriert. Schon 1908 konnte in zwei Räumen im Schloss das Heimatmuseum eröffnet werden. Schulrat Norbert Schuster war somit der Gründer unseres Burgauer Heimatmuseums. Das Sammeln und der weitere Ausbau wurden kontinuierlich fortgesetzt. Was bewegte den so viel beschäftigten Lehrer, solche alten Dinge zu sammeln? Wem nutzte das „Gerümpel“ aus Truhen, Kisten, Speichern und Rumpelkammern, das über kurz oder lang doch im Ofen oder auf der Schuttablagerung landete? – Vielleicht kommt die Antwort aus dem Beruf und der Arbeit des Lehrers. Konkrete Dinge und konkrete Handlungen sprechen Kinder, aber auch Erwachsene besser an als verbale Belehrungen. Alte Gegenstände, Werkzeuge oder gar Bodenfunde erregen Neugierde und Phantasie. Sie können vieles aus der Vergangenheit erzählen.

Durch Zufall entdeckte Norbert Schuster zwei große, kunstvoll geschnitzte Engel, die aus einer Kirche stammten. Sie lagen auf einem Torfhaufen im Geräteschuppen der Stadt und waren zum Verbrennen hergerichtet. Schuster erkannte unter der Staubschicht die kunstvolle Gestaltung der Skulpturen. Die Brüder Leonhard und Josef Burglöhner, beide damals junge Maurer, schafften die Engel auf Geheiß Schusters ins Museum. Nachforschungen ergaben bald, daß die Engel aus der ehemaligen Kapuzinerkirche stammten. Später stellten Kunstexperten fest: Ihr Schöpfer war wohl Anselm Libigo, der als Benediktinerpater im Kloster Fultenbach (Kr. Dillingen, heute abgerissen) lebte und arbeitete. Die Libigo waren in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine bedeutende Künstlerfamilie in der Gegend von Landsberg.

Wenn es um Gründung und Aufbau des Heimatmuseums geht, möchten wir auch einen treuen Mitarbeiter Norbert Schusters, einen heimatverbundenen Sohn unserer Stadt erwähnen, nämlich den Oberlokomotivführer Sebastian Futterknecht aus Augsburg.  Über seine Mitarbeit hinaus stiftete er dem Museum seine recht umfangreichen Sammlungen von

Münzen, Gedenkmedaillen, Ulrichskreuzen und manches andere aus seinem Privatbesitz. Die Stadt Burgau ehrte Norbert Schuster und auch Sebastian Futterknecht am 11.2.1914 für ihre Verdienste um das Heimatmuseum mit der „Silbernen Bürgermedaille“.

Von Seiten der Stadt war geplant, dem verdienstvollen Bürger, Schulrat Norbert Schuster, beim Ausscheiden aus dem Amt das Ehrenbürgerrecht zu verleihen. Da aber eine Krankheit befürchten ließ, dass er den vorgesehenen Zeitpunkt nicht erreichen würde, wurde ihm die Ehrenbürgerurkunde bereits am Fronleichnamstag 1926 überreicht. Der in Burgau geborene Oberbaurat Zimmermann fertigte die kunstvolle Urkunde.

Schulrat Norbert Schuster verstarb am 26. Juni 1926 und wurde im Burgauer Friedhof beerdigt. Die Straße vom Rathaus zum Schloss, wo Norbert Schuster auch seine Wohnung hatte, und die er in seinem Leben wohl tausendemal ging, wurde nach seinem Tod nach ihm benannt.

Norbert Kastner


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        Der Text ist dem Buch "Historisches Burgau" 2014,
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