Von Johann Riederle und Dr. Josef Jostan
aus dem Buch „Historisches Burgau“ (Herausgeber Hist. Verein Burgau Stadt und Land e.V.)
Das Bürgertum in Burgau war vom 18. Jahrhundert bis Mitte des 20. Jahrhunderts von Handwerkern mit kleiner Landwirtschaft geprägt. Als ein letzter Spross aus der Bäckerzunft will ich – Johann Riederle – das Bäckerhandwerk herausnehmen und das, was ich noch in Erinnerung habe, der Nachwelt weitergeben. Dort, wo die Erinnerung schon etwas verblasst ist, haben Dr. Josef Jostan und ich das Archiv des Historischen Vereins bemüht und außerdem auch alte Burgauer Bekannte und Freunde mit eingebunden. Diesen sind wir zu herzlichem Dank verpflichtet.
In einem Häuserverzeichnis aus den Jahren 1826/27 sind unter den rund 400 Häusern 13 Bäckerhäuser aufgeführt. Sie sind verknüpft mit den Namen alter Burgauer Geschlechter wie Kleber, Nusser, Haisch, Miller, Lindenmayer, Lang, Eggstein, Kränzle, Scholz, Riederle und Laible. Und noch vor dem Zweiten Weltkrieg gab es für die knapp 2500 Einwohner – je nach Betrachtungsjahr – neun oder zehn Bäckereien, die über die Kernstadt verstreut waren. Mit diesen wollen wir uns im Folgenden etwas näher befassen.
Der Pfarrhof–Bäck
Zu den ältesten Bäckereien in Burgau zählt zweifellos der „Pfarrhofbäck“. Kaspar Kleber hatte seine Bäckerei um die Mitte des 18. Jahrhunderts nahe dem Pfarrhof, westlich der früheren Marienkirche. Als der Neubau der heutigen, beträchtlich größeren Stadtpfarrkirche „Mariä Himmelfahrt“ in Planung war, erwarb die Stadt das Haus für 800 Gulden (1788 oder vorher), um es abzureißen und mehr Platz für den Neubau zu gewinnen. Die Stadt erwarb außerdem vom Fleischhacker Martin Lindenmayer einen Teil seines Gartens um 270 Gulden und stellte diesen dem Bäcker Kaspar Kleber zur Erbauung einer neuen Behausung zur Verfügung. Außerdem wurde ihm die Genehmigung des „Verschleisses“ (Vertrieb) des österreichischen Salzes in Aussicht gestellt. So berichtete der Archivar Norbert Schuster aus den alten Stadtrechnungen der Jahre 1788/89. Die Familie Kleber eröffnete in der Folgezeit mehrere kleine Tochterbäckereien in verschiedenen Straßen. 1826/27 lebten die Bäcker:
Anton Kleber in Hs. Nr. 21 (Käppelestraße 20)
Andreas Kleber in Hs. Nr. 53 (Schmiedberg 13)
Albert Kleber in Hs. Nr. 89 (Kapuzinerstraße/Mühlstraße 1)
Johann Kleber in Hs. Nr. 234 (Stadtstraße 33)
mit ihren Familien und Nachkommen, zum Teil bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts.
Der eigentliche Pfarrhofbäck existierte in der hinteren Stadtstraße weiter, in Hs. Nr. 214 (heute Stadtstraße 42). Auch hier war eine Landwirtschaft mit dabei. Auf dem Anwesen wurde damals (um1870) ein künstlerisch anspruchsvolles Haus erbaut mit Marien- und Evangelistenreliefs im Giebelfeld und Heiligendarstellungen in den Ecknischen. Anton Kleber, „d’r Pfarrhof–Done“, gab Mitte der 1930er Jahre die Bäckerei auf und übersiedelte 1939 mit seiner Ehefrau Mathilde in die Ulmer Straße 12, wo beide nur noch eine kleine Landwirtschaft weiter betrieben und ihren Lebensabend verbrachten. Aus der ehemaligen Bäckerei in der Stadtstraße wurde die Metzgerei Hoser.
‚Pfarrhofbäck‘ Kleber
(Heute Bar Romantica)
Der Meer–Bäck
Eine heute völlig vergessene Bäckerei war der Meer-Bäck. Wo lag diese Bäckerei und wem gehörte sie? Die Antwort auf diese Frage ist nicht ganz einfach, ebenso wie die Deutung des Namens. Aber mit Hilfe einschlägiger Archivalien zur Häuser- und Familiengeschichte gelang es, die Bäckerei zu lokalisieren. Sie lag in der Mühlstraße, Haus-Nummer 138, neben der Unteren Mühle, heute Einrichtungshaus Mengele. Das Haus war die Geburtsstätte des Bäckers Anton Franz Lindenmayr, der dort am 8. Juli 1791 geboren wurde.
Die Lindenmayr waren ein altes Burgauer Geschlecht, das sich bis zum Jahre 1689 nachweisen läßt. Die Überlieferung berichtet, daß die angesehene Bürgerfamilie auch in Not geratene Mitbürger finanziell unterstützte. Im Jahr 1903 aber, als sie wieder einmal Geld ausgeliehen hatte und einen „Gutständer“ machte, wurde sie missbraucht und betrogen. Sie erhielt ihr Darlehen nie zurück – und das war das Ende vom Meerbäck, zu dem auch eine schöne Landwirtschaft gehört hat.
Der Name „Meerbäck“ läßt sich wahrscheinlich durch die an der Unteren Mühle angestaute Mindel erklären. Durch das hohe Mindelwehr, auf Schwäbisch „das Wuhr“, konnte einem der Fluss an dieser Stelle wie ein Meer erscheinen. Sprachlich ebenfalls einleuchtend, könnte sich im Volksmund das Wort ,Wehr‘ in ,Meer‘ gewandelt haben.
Der Hausname „Meerbäck“ taucht noch einmal 1907 im Burgauer Anzeiger auf, als Johann Nepomuk Fleischhut für seine Brot-, Spezerei-und Käsehandlung im besagten Haus Nr. 138 in der Mühlgasse (vormals Meerbäck) wirbt.
Der Stiegelbäck
Nicht weit entfernt vom Meer-Bäck lag der Stiegelbäck, namentlich gegenüber der ehemaligen Gastwirtschaft „Zur Stiege“, dort wo die Mühlstraße auf die Kapuzinerstraße trifft und sich heute die Buchhandlung Pfob befindet. Allerdings scheint diese Bäckerei erst wesentlich später gegründet worden zu sein, denn im Häuserverzeichnis von 1826/27 ist dort unter der Hausnummer 89 (heute Mühlstraße 1) der Kürschner Franz Heichlinger als Besitzer aufgeführt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wird 1887 Josef Scheppach im Burgauer Anzeiger als Stiegelbäcker genannt. Drei Jahre später gab dieser seinen Beruf als Bäcker auf und wurde ab 1. Juni 1890 Polizeisoldat in Burgau.
Dann war der Bäckermeister Albert Kleber sen. als Stiegelbäck auf dem Anwesen, und zwar zunächst auf dem Nachbarhaus (Hs. Nr. 88), dann ab 1895 auf Hs. Nr. 89. Nach seinem Tod (1929) übernahm sein Sohn Albert die Bäckerei. Dessen Ehefrau, Theresia Kleber geb. Jaser, führte das Geschäft nach dem Tode ihres Mannes zunächst weiter (1954), verkaufte dann aber das gesamte Anwesen. Auf die Bäckermeister Kleber folgten die Bäckermeister Josef Maischberger und anschließend Josef Siebinger.
‚Stiegelbäck‘ Kleber
Der Scholzabäck
Ebenfalls in der Mühlstraße, nämlich auf der ehemaligen Hausnummer 151 (heute Mühlstraße 8), lag die Bäckerei Scholz. Im Jahr 1888 wird der Bäckermeister Christian Scholz im Burgauer Anzeiger genannt. Auf ihn folgt Bäckermeister Anton Scholz, der als Geschäftsinhaber in den Häuserverzeichnissen von 1926 und 1954 aufgeführt ist.
Der Scholzabäck war durch sein „Baurabrot“ besonders bekannt. Bauernbrot ist ein schmackhaftes Landbrot mit hohem Roggenmehl- und Sauerteiganteil. Der große runde Laib ist durch eine kräftig-aromatische Krume gekennzeichnet. Der herzhafte, säuerliche Geschmack dieses Brotes geht auf den Natursauerteig zurück und wird von den Liebhabern einer deftigen Brotzeit geschätzt.
Auf Anton Scholz folgten 1950 der Bäcker- und Konditormeister Friedrich Georg Böck und in den 1990er Jahren der Bäckermeister Dieter Fella. Beide führten die Tradition des schwäbischen Bauernbrotes fort.
Der Herrabäck
Nur eine Treppe höher, in der Stadtstraße Hs. Nr. 237 (heute Stadtstraße 29), lag die Bäckerei des Bäckermeisters Wilhelm Kränzle. Wegen ihrer günstigen Lage im Zentrum der Stadt kauften dort besonders gerne die Ehefrauen der „Herren“ ein. Postamt und Sparkasse lagen direkt gegenüber und waren von vielen Fachgeschäften und der Stadtapotheke flankiert. Außerdem spielte der Kränzle Willi im Turnverein und im damaligen politischen Leben eine tragende Rolle.
Im Jahr 1926 inserierte die Conditorei Wilhelm Kränzle im Burgauer Anzeiger und im Adreßbuch des Bezirksamtes Günzburg auch als „Keks-Versand-Geschäft“. Es war eine für Burgau neue Idee, um den Umsatz in den Nachinflationsjahren zu verbessern. Noch 1954 wird Wilhelm Kränzle als Besitzer des Bäckereianwesens verzeichnet. Nachfolger waren Bäckermeister Karl und Roland Eggstein, und in neuester Zeit ist Albert Zinner der Besitzer der letzten Bäckerei in der Stadtstraße.
Die Geschichte der Bäckerei Kränzle in der Stadtstraße reicht bis in das Jahr 1892 zurück. Wilhelm Kränzle sen. gründete damals eine Feinbäckerei mit Spezereihandlung. Auch vormals war auf dem Anwesen gegenüber dem Gasthaus „Zum Karpfen“ bereits eine Bäckerei, nämlich die des Kaspar Schäffler. 1932 feierte die Familie Kränzle das 40jährige Geschäftsjubiläum und Wilhelm Kränzle sen. übergab die Bäckerei mit Konditorei an seinen gleichnamigen Sohn, von dem eingangs die Rede war.
‚Herrabäck‘ Kränzle
(Das dritte Haus auf der rechten Seite)
Der Platzbäck
Im wahrsten Sinne des Wortes „am Platze“ befand sich der Platzbäck, nämlich sowohl am Marktplatz als auch am Kirchplatz. Seit 1806 führte das Haus die Nummer 265 (ab 1954 Stadtstraße Nr. 5). 1826/27 ist es nachweislich im Besitz des Bäckers Johann Michael Eggstein. Sein Vater Josef Eggstein (1774-1848) hatte die Bäckerei erworben und an drei nachfolgende Bäcker-Generationen weitergegeben, bis nach Anton Eggstein (1843-1900) der männliche Nachfolger ausblieb. Die Tochter Anna Barbara Eggstein heiratete 1901 den Bäcker Ludwig Lechner. Das Glück war ihr jedoch nicht hold; sie verlor ihren Mann im Ersten Weltkrieg. Um das Geschäft weiterführen zu können, heiratete sie noch 1914 den kriegsversehrten Bäckermeister Heinrich Lindenmayr aus Augsburg.
Er war 1890 in Peterswörth geboren und verstarb 1969 in Burgau im Alter von 79 Jahren. Noch zu Lebzeiten übernahm sein Sohn Heinrich die Bäckerei und führte sie als Familienbetrieb weiter. Mit dem Tod des „Platzbäck-Heini“ erlosch diese alteingesessene Bäckerei. Sie war bekannt durch ihre vorzüglichen schwäbischen Brezen. „De beschte Brezga von ganz Burgau macht d’r Platzbäck!“. So lautete die Von-Mund-zu-Mund-Propaganda im Städtchen, „ond dia Butterbrezga send a Delikatess.“ Noch heute schwärmen ältere Burgauer von diesem köstlichen Laugengebäck und fragen sich, warum die heutigen Bäckermeister diese Qualität nicht mehr erreichen. Wahrscheinlich sind die vorgefertigten Einheitsteige und die Aufbackautomaten daran schuld. Das „Brezgabacha“ nach dem Rezept des Platzbäck war etwas zeitaufwendiger durch das Kochen in heißer Lauge als das bloße Eintauchen, aber es erzeugte den vorzüglichen Geschmack.
Von einer der Stammkundinnen des „Platzbäck“ wußte Frau Irmgard Gruber-Egle folgende nette Episode zu erzählen:
Als bekannt wurde, daß der „Platzbäck-Heini“ aufhört, beschlossen die alteingesessene Burgauerin und ihr Mann, daß sie beim Heini noch etliche von seinen wunderbaren „Platzbäckbrezga“ bestellen und diese dann eingefrieren werden. So gesagt, so getan. Über mindestens vier Jahre konnten sie beide zu ganz besonderen Anlässen ihre Brezen genießen. Sie teilten sich das kostbare Gut wahrlich ein, aber irgendwann kam der Tag, da war dann doch die letzte „Platzbäckbrezg“ verzehrt und von nun an blieb nur noch die Erinnerung. Aus der Art der Erzählung hörte noch nach zwei Jahrzehnten die Sehnsucht nach diesen „Brezga“ heraus.
‚Platzbäck‘ Lindenmayr
Johann Riederle und Dr. Josef Jostan
Historischer Verein Burgau Stadt und Land e. V.
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Der Text ist dem Buch "Historisches Burgau" 2014, entnommen.
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