Lange gesucht, endlich gefunden und endgültig verloren.
Der Historische Verein Burgau Stadt und Land e.V. schrieb bereits in Burgau aktuell im März 2021 in seinem Beitrag über das jüdische Leben in der Markgrafschaft Burgau:
„Obwohl Markgraf Karl von Burgau mit Mandat vom 4. März 1617 die jüdische Bevölkerung angewiesen hatte, binnen Jahresfrist ihre Häuser und Güter zu verkaufen und die Herrschaft zu verlassen, nahm sie es nur zur Kenntnis, richtete sich aber nicht danach. Vielmehr fuhr man fort, das gewohnte Leben zu führen und die Schule zu besuchen. 1631 beschwerten sich die jüdischen Bürger Burgaus beim Generalvikar Zeiller in Augsburg, gegen den Stadtprediger Caspar Baur von Burgau, dass er die Juden verfolge, "... ja er geht bisweilen in die Judenschuel oder Bethaus und hebt an zu schreyn und treibt allerlei Fablerey, wie er dann vor drei Wochen einen Juden von Steppach, so mit anderen Juden in die Schuel gehen wollten, mit einem Stecken geschlagen, hernach an einem Inwohner allda gar den Stecken abgeschlagen, an dem er sich nit ersättigen lassen."
Diese historischen Texte zeigen uns teilweise das Leben der Juden, insbesondere auch in unserer Markgrafenstadt.
Aber über 100 Jahre vor 1617, kam ein für Burgau bedeutender jüdischer Mitbürger zur Welt, zwar in Günzburg, aber er wuchs in Burgau auf und wurde auch dort beerdigt.. Es war Schimon ben Elieser Ulmo (1506 – 1585). Er war zu seiner Zeit ein großer namhafter Gelehrter, kaiserlicher Hoffaktor*, ein großer Mäzen und Autor gelehriger Bücher in taitscher Sprache*². Der Lehrer seiner Kindheit in Burgau war Rabbi Jona, ein Sohn eines überregionalen Gelehrten seiner Zeit, Jehuda Weil aus Augsburg.
Ende Dezember 1596 beklagten sich die christlichen Bewohner Burgaus über die ansässigen Juden, weil sie keine Rücksicht auf die christlichen Feiertage nähmen und an diesen Tagen für die Christen arbeiteten!??
Dies wurde in Burgau als Verspottung der „wahren“ christlichen Religion durch die „verdammten“ Juden aufgefasst. Das waren mitunter auch die Gründe, warum Markgraf Karl von Burgau im März 1617 die jüdische Bevölkerung anwies die Markgrafschaft zu verlassen.
In der Zeit des 16. Jahrhundert war in Burgau selbst, Jehuda Schmuel Ulmo (1538-1604), ein Sohn von Schimon Ulmo, Rabbiner, Lehrmaister und Schulklopfer. Dessen Sohn Itzchak ben Jehuda Schmuel Ulmo (1570 -1618) auch Rabbiner und Lehrmaister
Da dieser früh verstarb findet man ab 1619, also kurz nach dem Dekret der „Ausschaffung der Juden“ aus der Markgrafschaft durch Markgraf Karl, 1617, die Witwe jenes Itzschak Ulmo, „Itzig Jüdin, Lehrmaisters Witib“ wieder als Steuerzahlerin in den Burgauer Analen.
Der Sohn der Witwe des letzten Rabbiners und Lehrmaisters Itzchak, David, wirkte dann in Burgau auch wieder als Rabbiner und Schulklopfer.1611 belief sich die Höhe der sog. jüdischen „Sitzgelder“ auf rund 185 Gulden. Diese Sitzgelder waren ganz einfach Steuern dafür, dass sie geduldete Juden waren und an diesem Ort wohnen durften.
Wir wollen damit hinweisen, dass die in Burgau wohnenden Juden gut situiert und auch gebildet waren. Sie hatten eine Schule und eine kleine Synagoge, auf die in anderen Texten des Öfteren hingewiesen wird, wie auch in der Klage gegen den christlichen Stadtprediger Caspar Baur, der vor, oder auch in der Synagoge oder dem Lehrhaus randalierte.
Durch den 30-jährigen Krieg, der die Markgrafschaft erst in der zweiten Hälfte seiner Dauer, nämlich als die Schweden kamen, schwer traf, wurde Burgau fast völlig ausgerottet und zerstört und damit auch die jüdische Bevölkerung.
1653 ist in den jüdischen Geschichtsbüchern von einem Juden Josef von Burgau die Rede, der gegen Wilhelm Konrad Schenck von Stauffenberg klagt, weil im dieser seine Schulden nicht bezahlt. Zwölf Jahre später verhandeln die Habsburger wohl wieder über die Ansiedlung von Juden in Burgau. Es ist die Rede „wie von alters her“ von acht oder neun Familien. Im Dezember 1668 meldet und weist der Jude Hertzog aus Pfersee darauf hin, dass er nun darum bitte die Judenschule, die sein Großvater vor dem großen Krieg 1631 „auf eigene Kosten und zur Ehr Gottes und ihm zu Nutze und Heil habe erbauen lassen“, man ihm doch zurück geben möge.
Dieser Hertzog oder auch Hitzig, war der Sohn von Isaak Ulmo, dem Sohn des letzten Rabbiners David Ulmo. Das Gebäude um das er bat und in der heutigen Stadtstraße stand, hatte wohl teilweise den Krieg überstanden.

Gemalt von Theodor Becker,1969, Privateigentum
Ob er es wieder erlangte ist unbekannt, aber wir wissen nun, dass das vor kurzer Zeit abgerissene „Hochhaus, Lange Haus oder Schiefe Haus“, Stadtstraße 57, die lange gesuchte Judenschule, der jüdischen Gemeinde, im 17. Jahrhundert in Burgau war!
Es ist dem Historischen Verein Burgau aus anderen historischen Texten bekannt, dass die Synagoge entweder dem 30-jährigen Krieg zum Opfer fiel oder baufällig zu Beginn des 18. Jahrhunderts abgerissen wurde, aber die Schule lange erhalten blieb.

Das „Hochhaus“ um 2012
Öffentliche jüdische Gebäude, wie eine Synagoge oder eine Schule, wurden gerade in der Zeit, in der Juden auch in der Markgrafschaft Burgau teilweise große Gemeinden bildeten, gerne außerhalb des Altstadtkerns gebaut und so wie es scheint, die Burgauer Judenschule auch!
Das Gebäude war bis vor ca. fünf Jahren noch von einem Mitglied der Familie Müller bewohnt. Die Großeltern des letzten Bewohners hießen Hölzle oder Hölzlein.
Und auf dem Parkplatz oder freien Platz standen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs Stallungen, siehe untenstehendes Bild. Danach, bis in die 60iger Jahre des letzten Jahrhunderts, eine Heu- und Strohscheune der Familie Bronner.
Denn die „Stadtwirtschaft“, die nun auch der Spitzhacke zum Opfer fiel, sowie die spätere Freifläche gehörten mehreren Generationen der Wirts- und Bauersfamilie Bronner.
Mit dem Abriss der beiden Gebäude gehen nun mehrere geschichtliche Ären zu Ende!

Das „Hochhaus“ um ca. 1910
Den Historischen Verein Burgau erreichte der Hinweis, dass es sich um die lange gesuchte Judenschule in Burgau, bei dem sog. „Hochhaus“, handelte, tatsächlich 36 Stunden vor Abriss.
Der Abriss war nicht zu verhindern und wohl auch notwendig, aber wir hatten sehr wenig Zeit um weitere Recherchen anzustellen. Wir versuchen im Laufe des Jahres 2025 weitere Details zu der ehemaligen Judenschule zu erfahren,
Quellen: "Burgau revisited", Jüdischer Historischer Verein Augsburg 19. April 20212 und Aufzeichnungen aus dem Archiv des Hist. Vereins Burgau Stadt und Land e.V.
Bilder: Irmg. Gruber-Egle, Archiv Hist. Verein Burgau Stadt und Land e.V., Fam. Groß und aus dem Artikel des Historischen Jüdischen Vereins Augsburg
* Hoffaktor ist ein Hofjude, der Geschäfte für den Hof erledigte.
*Taitscher Sprache² ist Deutsch mit hebräischen und aramäischen Lehnwörter durchsetzt und wird in hebräischen Buchstaben geschrieben, es wird auch Jiddisch genannt.
Irmgard Gruber-Egle
Historischer Verein
Burgau Stadt und Land e. V.
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