Wie kam die Silberampel der Marie Antoinette von Limbach
in das Freiburger Münster ?
Philipp Jedelhauser
Ehepaaren mit unerfülltem Kinderwunsch bietet die Reproduktionsmedizin heute vielfältige Hilfe an, von künstlicher Insemination bis zur extrakorporalen Befruchtung. Umstrittener Pionier auf dem Gebiet war der Biologe/Physiologe Paul Wiesner, der mit seiner Partnerin Mary Barton ca. 1940–1960 in London eine Fruchtbarkeitsklinik betrieb. Mangels fremder Samenspender soll er selbst mehrere Hundert biologische Nachkommen haben. Vor diesen medizinischen Fortschritten mussten kinderlose Ehepaare sich in Hoffnung und Geduld üben. Gläubige Paare wandten sich im Gebet an die Gottesmutter und gingen mit ihrem Kinderwunsch auf Wallfahrten. Besonders prekär waren Fruchtbarkeitsprobleme in Fürsten- und Königsfamilien, wenn das Aussterben des Stammhauses drohte.
Die kinderlose Witwe des polnischen Königs Michael Wisniowiecki, die Habsburgerin Eleonore Maria von Österreich, heiratete am 6. Februar 1678 Herzog Karl V. von Lothringen. Dieser wurde im Juni 1679 Regent von Tirol und den vorderösterreichischen Landen mit der Markgrafschaft Burgau. Das Ehepaar hatte, angesichts der kinderlosen ersten Ehe von Eleonore, schon vor der Gottesmutter im Kloster Wettenhausen um Nachwuchs gebetet. Am 20. Februar 1679 waren sie dann von Günzburg Richtung Augsburg unterwegs. Auf halber Strecke zwischen Günzburg und Burgau, bei Limbach, verspürte Eleonore dass sie guter Hoffnung war. Sie verließ die Kutsche, kniete nieder, betete und gelobte hier neben der Landstraße (heute Bundesstraße 10) eine Feldkapelle zu bauen. Der Künstler Johannes Brandenberg aus Zug/Schweiz wurde beauftragt das berühmte Gnadenbild Maria Königin zu malen. Nach Fertigstellung der Kapelle ca. 1680 setzte ein ungeahnter Zustrom von Gläubigen und Wallfahrern ein.
Es kamen vor allem junge Bräute, Schwangere vor der Entbindung und kinderlose Frauen, die um Nachwuchs beteten.
Nach zwei Erweiterungen der Kapelle ordnete Eleonore nach dem Tod ihres Mannes den Bau einer regelrechten Wallfahrtskirche an, die mit gesamter Ausstattung schließlich im August 1694 vollendet war. Zur Kirche Maria Königin Bild entwickelte sich die mit größte Wallfahrt Schwabens. Die Habsburger förderten das Gotteshaus großzügig und besuchten es selbst gerne. Im Jahr 1770 stand als Großereignis der Brautzug der jüngsten Tochter Maria Theresias, der 14-jährigen Marie Antoinette an. Sie reiste zu ihrem Bräutigam, dem französischen Dauphin, dem späteren König Ludwig XVI. Die letzten Stationen vor dem Empfang durch die Franzosen in Straßburg waren Augsburg, Günzburg, Kloster Obermarchtal, Stockach, Donaueschingen, Freiburg und Kloster Schuttern. Über Monate wurden an dieser Strecke Landstraßen repariert, Häuser bemalt und öffentliche Gebäude auf Hochglanz gebracht. Für eine Habsburger Braut war der Besuch der Wallfahrtskirche Maria Königin Bild in Limbach selbstverständlich. Als Geschenk für die Kirche war in Wien bei dem bekannten Goldschmied Ignaz Sebastian Würth eine kostbare silberne Ewiglicht–Ampel angefertigt worden, die Medaillons mit Brustbildern der kaiserlichen Geschwister trug.
Beschreibung der Ampel:
Von einem mit einer vergoldeten Krone verzierten Baldachin hängt die Ampel an drei vergoldeten Ketten herab, die aus aneinandergereihten Kreuzen bestehen, deren waagerechte Balken strahlenförmig auslaufen. Den oberen Abschluss der Ampel bilden zwei geflammte Herzen, die unter zwei Kronen die Inschrift tragen: „LUD: AUG: DAUPH: / M: ANT: ARCH: AUST:“ (Louis Dauphin / Maria Antonia Erzherzogin). Den Bauch der Ampel zieren ovale getriebene und ziselierte Porträtmedaillons der 15 Geschwister von Maria Antoinette, die jeweils zu fünft in einem Feld zusammengefasst sind. Auf einer Seite ist die Widmungsinschrift der Braut eingraviert:
“M. Antonia Arch. hoc Ginzburgum in gallicum iter agens ob sibi concessum felicissimum cum Serenissimo Delphino conubium Deo opt. Max. et B.Virgini gratias actura Se Suumque
Sponsum ac totam suam aug. familiam Austriacam praesidio B. V. commendatura hocce votum obtulit die 30. April 1770.“
(M. Antoinette, Erzherzogin von Österreich, auf der Reise nach Frankreich begriffen, hat diese Weihegabe nach Günzburg gestiftet am 30. April 1770, um Gott und der seligsten Jungfrau ihren Dank abzustatten anlässlich der zustande gekommenen Heirat mit dem durchlauchtigsten Kronprinzen von Frankreich und um sich und ihren Bräutigam sowie ihr ganzes erlauchtes österreichisches Haus der seligsten Jungfrau zu empfehlen).
Der Brautzug war generalstabsmäßige geplant. Trotz aller Unwägbarkeiten erreichte die von Wien aufgebrochene pompöse Kolonne von 57 Wagen und 370 Pferden tatsächlich am 29. April Günzburg. Genau am 30. April, wie auf der viele Monate vor dem Aufbruch in Wien beim Goldschmied I. S. Würth bestellten Silberampel eingraviert ist, fuhr Marie Antoinette von Günzburg nach Limbach zurück, um in der Kirche Maria Königin Bild eine Messe mitzufeiern und die Ampel zu überreichen.
Die Wallfahrtskirche Maria Königin Bild fiel später, ungeachtet massiver Proteste, den aufklärerischen Reformen von Marie Antoinettes Bruder Kaiser Josef II. zum Opfer. Am 28. Juli 1787 gab das Augsburger Ordinariat nach Zuschrift der Regierung von Freiburg dem Günzburger Dekan Franz Feichtmayr den Auftrag, das Gnadenbild nach Burgau zu bringen und die Kirche zu schließen. Am 27. November 1787 wurde die Kirche auf Abbruch versteigert. Das Gnadenbild der Gottesmutter , Ziel der jahrhundertlangen Wallfahrt, hängt seither über dem linken Seitenaltar der Burgauer Stadtpfarrkirche. Der kostbare, von Maria Theresia persönlich gestiftete sog. „Günzburger Kelch“ und die bewunderte Silberampel der Marie Antoinette kamen 1789, am Vorabend der französischen Revolution, zum Freiburger Münsterschatz. Heute hängt die Silberampel über der berühmten Abendmahlgruppe von Franz Xaver Hauser im nördlichen Seitenschiff des Freiburger Münsters. Die Schenkerin der Silberampel fiel der französischen Revolution zum Opfer. Am 16. Oktober 1793 wurde die französische Königin Marie Antoinette in Paris auf dem heutigen Place de la Concorde enthauptet.
Die Wallfahrt Maria Königin Bild hat aber eine erfreuliche kleine Nachgeschichte. Die Ehe von einem meiner Burgauer Nachbarn war über mehrere Jahre kinderlos geblieben. Der aus Limbach stammende Ehemann kannte die Wallfahrtsgeschichte und setzte schließlich seine letzte Hoffnung auf das Gnadenenbild. Er gelobte vor dem Bild Maria Königin in der Burgauer Kirche am Platz der ehemaligen Wallfahrtskirche in Limbach eine Kapelle zu bauen, wenn ihm und seiner Frau doch noch ein Kind geschenkt würde. Das Ehepaar war außer sich vor Freude, als sich bald darauf Nachwuchs ankündigte und im März 1961 eine gesunde Tochter zur Welt kam.
Der dankbare Vater erbaute in den Folgejahren am Platz der ehemaligen Kirche in Limbach die heute dort stehende Kapelle Maria Königin Bild, die am 12. September 1965 eingeweiht wurde. Für die Kapelle konnte eine Kopie des Originalgnadenbildes beschafft werden, die sich früher im Kloster Wettenhausen befand. Die tiefe Verbundenheit der Habsburger zu dieser ehemaligen Wallfahrt zeigte sich am 16. Mai 1994. Als Otto von Habsburg (–Loth-ringen) zu einem Besuch in Bayerisch Schwaben weilte, fuhr er nach Limbach um die dortige Kapelle an diesem, für seine Vorfahren doch geschichtsträchtigen Ort, aufzusuchen.
Literatur:
Scheffer, Andreas Franz Xaver : Ausführlicher Bericht der Berühmten in der Reichs-Gefürsteten Marggrafschafft Burgau /.Auf der Kayserlichen Land-Strassen nächst dem Dorff Lempach in Schwaben gelegenen Königlich-Lothringischen, und Groß-Hertzoglichen
Thoscanischen Wallfahrt Königin-Bild, Augsburg 1740.
Schulz, Alexander: Maria Königin Bild, eine Wallfahrt in Schwaben, aus der Reihe Günzburger Hefte, Historischer Verein Günzburg e. V.,Volkshochschule Günzburg e.V. [Hrsg.], Anton H. Konrad Verlag Weißenhorn,1980.
Beim Philosophischen Fachbereich der Universität Augsburg wurde in Jahr 1978 noch eine Zulassungsarbeit für das Lehramt an Volksschulen gefertigt:
Niessner, Renate: Die Wallfahrtsgeschichte von Limbach bei Günzburg Maria Königin Bild.
Bilder: Wallfahrtskirche mit Benefiziaten- und Mesnerhaus zu Königin Bild bei Limbach (mit Dank an den Historischen Verein Günzburg).
Ewiglicht-Ampel der Marie Antoinette (mit Dank an Herrn Anton H. Konrad, Weißenhorn)
Dr. Philipp Jedelhauser
Historischer Verein Burgau Stadt und Land e. V.
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