Nachdem im Januar das Jubiläumsjahr "1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland" eröffnet wurde, haben wir in der Märzausgabe 2021 von Burgau aktuell auch das jüdische Leben explizit in Burgau selbst beleuchtet. Auch wenn wir Januar 2022 haben, möchten wir es nicht versäumen, das Thema ganz zu bearbeiten und auch die anderen jüdischen Gemeinden in der Markgrafschaft Burgau vorstellen.
In einem   weiteren Beitrag  gehe ich auch noch auf die weiteren jüdischen Gemeinden in der Markgrafschaft ein (alle heute vorzustellen würde den Rahmen des Artikels sprengen), denn bei der Recherche zu diesem Thema fand ich heraus wieviele interessante Detaills über die jüdischen Gemeinden bis heute zusammengetragen wurde und bekannt ist.

Ein vierter Artikel befasst sich dann auch noch mit dem Thema KZ-Außenlager Burgau, in dem in den letzten Monaten vor Ende des Zweiten Weltkrieges jüdische Frauen interniert waren.

Grundlage aller Beiträge ist der Vortrag von unserem Vereinsmitglied Rudolf Saumweber, der anlässlich unserer Jahreshauptversammlung 2008, über das "Jüdische Leben in Burgau und in anderen Orten der Region", sprach.

Jüdische Gemeinden in der Markgrafschaft Burgau waren:
Burgau (vor 1348 bis ca. Ende des 30-jährigen Krieges), Neuburg/Kammel (1431 bis 1675), Günzburg (1434 bis 1618), Binswangen (1439 bis nach 1805), Hürben/Stadtteil von Krumbach (1504 bis nach 1805), Thannhausen (1510 bis 1717), Ichenhausen (1541 bis nach 1805), Buttenwiesen (1561 bis nach 1805), Pfersee (1569 bis nach 1805), Fischach (1750 bis nach 1805), Scheppach (bis zur Austreibung 1617 existierte ein jüdische Kultusgemeinde) und Haldenwang (im Mittelalter gab es hier eine jüdische Gemeinde mit Synagoge bis zur Austreibung 1617).

Neuburg/Kammel:
Die Jüdische Gemeinde Neuburg an der Kammel war eine von 1431 bis 1675 bestehende jüdische Gemeinde im schwäbischen Neuburg an der Kammel.  Die Neuburger Juden hatten ihre Häuser vor allem in der Judengasse, der heutigen Bergstraße. Die Synagoge stand laut Überlieferung im Bereich der heutigen Grundstücke Bergstraße 1 und 3, also am östlichen Ende der Straße, wo diese in den Marktplatz übergeht. Der Jüdische Friedhof, von dem heute nichts mehr erhalten ist, ist ab 1565 nachgewiesen. Er lag auf dem heute noch Judenberg genannten Höhenrücken westlich des Ortes – südlich der Straße nach Wattenweiler, die die Verlängerung der Bergstraße ist.
Als die Juden aus Neuburg vertrieben wurden, siedelten sie sich teilweise in den am nächsten gelegenen jüdischen Gemeinden Ichenhausen und Hürben an.


Günzburg:
Die Ansiedlung von Juden in der habsburgischen Markgrafschaft Burgau wurde von der Landesherrschaft geduldet. 1475 erhielt der Jude Symon Leib zeitweise das Bürgerrecht in Günzburg. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erlebte die jüdische Gemeinde ihren wirtschaftlichen Höhepunkt. Das Wohnviertel der Juden lag am Rande der Altstadt in der heutigen Münzgasse und Eisenhausgasse, wo auch die Synagoge stand.
Um 1560 verließ der Jude Simon Günzburg, der wichtigste Kreditgeber der Region, die Stadt, um sich in Frankfurt am Main niederzulassen. Günzburg war ein Finanzzentrum, das aber durch Kredit- und Pfandleihverbote der umliegenden Herrschaften wie des Klosters Wettenhausen behindert wurde. Markgraf Karl von Burgau erließ 1616 eine Anordnung, dass die Zinsen nicht über zehn Prozent pro Jahr liegen durften. Da das Risiko der jüdischen Kreditgeber sehr hoch war, lag damit der Zinssatz unterhalb der Rentabilität.
Im Jahr 1617 erfolgte durch den Markgrafen Karl die Ausweisung aller Juden aus der Residenzstadt Günzburg. Dadurch erlebten die umliegenden Orte wie Ichenhausen, Hürben, Neuburg an der Kammel und Thannhausen einen erheblichen Zuzug von Juden.
Da der Günzburger Stadtamtmann sowie der Zolleinnehmer weiterhin an Einnahmen aus den Geschäften der Juden interessiert waren, wurden sie als Händler an den Wochen- und Jahrmärkten geduldet.
Die Zahl der im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert in Günzburg lebenden jüdischen Bewohner war sehr gering. Heute erinnert in der Stadt nichts mehr an die vor Jahrhunderten bedeutende jüdische Gemeinde.

Binswangen:
Die im 15.Jahrhundert verstärkt einsetzende Vertreibung von Juden aus reichs- und landesherrlichen Städten hatte zur Folge, dass sich jüdische Familien nun immer mehr auf dem Lande niederließen, bevorzugt an adeligen Herrschaftssitzen. Die Verlagerung in einen anders strukturierten Lebensraum brachte auch eine Veränderung hinsichtlich ihres Lebenserwerbs mit sich: An die Stelle von Groß- und Fernhandel trat nunmehr der Lokalhandel, vor allem die Hausiererei und der Viehhandel. Auch die Landjudenschaft Binswangens hat sich durch vertriebene „Stadtjuden“ gebildet. Eine erste Anwesenheit von Juden im Dorf Binswangen ist urkundlich ab 1525 nachgewiesen, vermutlich siedelten sich aber schon nach 1450 Juden hier an. Mit Erlaubnis der Herrschaft durften sie sich östlich des Dorfkernes an der Straße nach Wertingen ansässig machen. Doch führte die zunehmende Niederlassung von Juden zu erheblichen Spannungen mit der christlichen Einwohnerschaft, die in der Forderung an die hiesige Herrschaft gipfelten, die Juden „auß irem Dorf abzueschaffen”. Doch konnte der Antrag der Dörfler keinen Erfolg haben, denn die Herrschaft wollte auf die einträglichen Einnahmen, die ihr die Juden brachten, nicht verzichten.
Die erste „Judenschul“ soll es in Binswangen bereits vor dem Dreißigjährigen Kriege gegeben haben. Als gesichert gilt, dass vor 1750 eine Synagoge bestanden hat. Anfang der 1830er Jahre fasste die größer gewordene jüdische Gemeinde den Beschluss zu einem Synagogenneubau, in diesem hieß es: „Es solle der beengte, baufällige und beschwerliche Zustand unserer Synagoge durch Erbauung und Herstellung eines ganz neuen Gotteshauses gehoben und dieses nothwendige, seit mehreren Jahren gehegte Vorhaben innerhalb dreier Jahre längstens ausgeführt werden.”
In den Jahren 1836/1837 - zu diesem Zeitpunkt bekannte sich fast die Hälfte aller Einwohner zum jüdischen Glauben - erfolgte dann der Neubau der zweiten Synagoge zwischen den beiden „Judengassen“; die Einweihung nahm der Rabbiner Isaak Hirsch Gunzenhauser vor. Mit seinen neomaurischen Stilelementen ist es heute der älteste noch vorhandene Bau dieser Art in Deutschland. Als Vorbild diente dem Architekten Friedrich von Gärtner das jüdische Gotteshaus in Ingenheim. Während das Portal als Eingang für die Männer diente, betraten die Frauen durch die linke Tür die auf die Empore führende Treppe. In Anlehnung an die Zeile „Aus der Tiefe rufe ich zu Dir” des Psalms 130, lag der Synagogenraum unter Straßenniveau.

Nach der Auflösung des Bezirksrabbinats gehörte Binswangen zu dem von Augsburg.
Seit 1829 gab es in Binswangen auch eine Religionsschule; der Unterricht wurde zumeist im Wohnhaus des Religionslehrers abgehalten. Weitere gemeindliche Einrichtungen waren ein Armenhaus und eine Mikwe, hier „Tunk“ genannt.

Die meisten der Binswanger Juden betrieben Handel: Zumeist zogen sie als Hausier- und Viehhändler durch die Dörfer der Region und boten dort ihre Waren an.

In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts und besonders in den 1860/1870er Jahren erfolgte eine starke Ab- bzw. Auswanderung; Emigrationsziel waren zumeist die USA. Die stete Abwanderung führte schließlich dazu, dass im Jahre 1933 nur noch sehr wenige Juden in Binswangen lebten. Die verbliebenen jüdischen Bewohner waren weitestgehend assimiliert und bei der übrigen Bevölkerung akzeptiert.

Erste antisemitische „Vorkommnisse“ ereigneten sich in Binswangen bereits 1924, als „Jungnazis“ auf dem jüdischen Friedhof Grabsteine umwarfen und mit Hakenkreuzen beschmierten. Zudem versuchten sie, in von Juden bewohnte Häuser einzudringen. Die Ortspolizei fasste aber die jugendlichen Täter, und ein Gericht verurteilte sie. Im Jahre 1937 beging die jüdische Gemeinde das 100jährige Jubiläums ihrer Synagoge.
Während des Novemberpogroms wurde die Synagoge von einem aus Augsburg angereisten SA-Trupp demoliert, wobei die gesamte Inneneinrichtung einschließlich der Ritualgegenstände vernichtet wurde. Eine Brandlegung an dem Gebäude unterblieb nur wegen seiner Nähe zu den angrenzenden Gebäuden. Fensterscheiben von Läden und Wohnhäusern von Binswangener Juden wurden zertrümmert. Der jüdische Friedhof war bereits im Juli 1938 abermals geschändet worden; zwei Jahre später wurde er dann vollkommen verwüstet. Während des Krieges diente die Synagoge zuerst als Lagerhaus für Getreide, später als Heereslager.

Am 1. April 1942 wurden 41 Binswanger und Buttenwiesener Juden zum Bahnhof geführt und in das Zwangsghetto Piaski in Polen (bei Lublin) deportiert. Die verschleppten Juden aus Binswangen und Buttenwiesen lebten nur wenige Monate in Piaski; dann wurden sie in den Gaskammern der benachbarten Vernichtungslager ermordet. Ende Juli 1942 wurden die drei letzten Binswangener Juden ins Ghetto Theresienstadt deportiert.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind nachweislich 38 gebürtige bzw. länger in Binswangen ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der „Endlösung“ geworden (namentliche Nennung der betreffenden Personen siehe: alemannia-judaica.de/binswangen_synagoge.htm).
 
Das ehemalige Synagogengebäude in der Judengasse, das jahrzehntelang als Lagerraum gedient hatte, wurde 1987 vom Landkreis Dillingen erworben, der den Bau nach einer umfassenden und sehr kostenintensiven Restaurierung als Begegnungsstätte „Alte Synagoge” im Herbst 1996 der Öffentlichkeit zur Verfügung stellte; seitdem ist das Haus Ort von zahlreichen kulturellen Veranstaltungen.
 
  
Seitenansicht der Synagoge in Binswangen


Das 1966/1967 geschaffene Wappen der Kommune zeigt im unteren Bereich einen Treppengiebel, der an die Synagoge Binswangens bzw. an dessen jüdische Geschichte erinnern soll.
Zu den Relikten der ehemaligen jüdischen Gemeinde Binswangen gehören zum einen der um 1665 angelegte Friedhof (mit nur noch wenigen Grabsteinen) und zum anderen zahlreiche Häuser, in denen jüdische Familien über Generationen hinweg gelebt haben.


Jüdischer Friedhof in Binswangen (Aufn. J. Hahn, 2004) - drei Grabsteine (Aufn. GFreihalter, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
 

Hürben/Stadtteil von Krumbach:
Im Dorfe Hürben, seit 1902 ein Ortsteil von Krumbach, waren um 1810/1820 fast 50% (!) aller Einwohner jüdischen Glaubens; ihren höchsten Stand erreichte die Zahl der israelitischen Einwohner um 1840 mit ca. 650 Personen.
Seit Beginn des 16.Jahrhunderts - aus dem Jahre 1504 stammt die erste urkundliche Erwähnung von vier jüdischen Familien - existierte in Hürben eine zunächst sehr kleine jüdische Gemeinde, die sich nach der Judenvertreibung aus dem Residenzort Günzburg (um 1618) und aus der Herrschaft Thannhausen (1718) im Laufe des 18.Jahrhunderts stark entwickelte. Relativ hohe Schutzgeldzahlungen an die Ortsherrschaft der Grafen von Liechtenstein lassen auf eine nicht unvermögende Ortsjudenschaft schließen, die damals besonders im Pferdehandel tätig war. Zu Beginn des 19.Jahrhunderts verdienten die Hürbener Juden ihren Lebensunterhalt mehrheitlich als „Hausier-Warenhändler“ und als „Markt-Warenhändler“. Über die Lebenssituation der zahlreichen jüdischen Bewohner gibt ein 1808 verfasster Bericht des Landgerichts Ursberg Auskunft; darin heißt es u.a.:
„ ... Ihr physischer Zustand in Rücksicht ihrer Wohlhabenheit hat sich seit Anfang des Franzosenkrieges außerordentlich verbessert, indem einen jeden Durchreisenden die teils guten und solid und fast meistens neugebauten Häuser als Judenhäuser betrachtet sogleich auffallen. ... Es sind zwar wie überall auch hier bei den Juden einige Arme, welche das Glück nicht so begünstigte, oder wegen Gesundheit-Umständen ihren ‘Speculationen’ nicht mehr nachgehen können; allein auch diese darben im Grund nicht, weil sie von den reichen Juden ohne weiteres verhalten werden, und in diesem einzigen Stück verdienen sie auch ihr Lob, da sie manche Christengemeinde zu Schanden machen, die ihre wahrhaft Armen schmachten läßt. ...”
Eine im Jahre 1675 erbaute Synagoge, die im Laufe des 18.Jahrhunderts mehrfach erweitert wurde, ließ die jüdische Gemeinde dann durch einen Neubau ersetzen; Verwendung des Abbruchmaterials der alten Synagoge und Nutzung der Innenausstattung sollten die Kosten senken. Im Jahre 1819 konnte das neuerrichtete Synagogengebäude vom Ortsrabbiner Israel Kahn feierlich eingeweiht werden.
Neun Jahrzehnte später wurde das Gebäude restauriert und erneut eingeweiht.


Synagoge in Hürben um ca. 1895


Seit ca. 1830 verfügte die Hürbener Judenschaft über ein neues Gemeindehaus mit Schulräumen und Lehrerwohnung; eine ältere Mikwe – sie war im jüdischen Schulhaus untergebracht – wurde Anfang der 1830er Jahre durch einen Neubau (gegenüber der Synagoge gelegen) ersetzt.
Zu ihrer Blütezeit hatte die Kultusgemeinde neben ihrem Rabbiner bis zu drei Lehrer verpflichtet, die auch für die rituellen Verrichtungen zuständig waren.

Eine eigene Begräbnisstätte stand den Hürbener Juden seit ca. 1630 westlich des Ortes, am sog. Schelmenloh, dem einstigen Richtplatz, zur Verfügung; auf Anordnung von Erzherzog Leopold hatte der markgräfliche Vogt Johann Weber von Krumbach den jüdischen Familien des Ortes diesen Platz zugewiesen. Später (1832 und 1852) wurde dann zur Erweiterung der Begräbnisfläche Land zugekauft. Vor 1630 waren Verstorbene auf dem ca. 30 Kilometer entfernten zentralen Friedhof der Markgrafschaft Burgau im Norden der Stadt Burgau beerdigt worden. Seit 1898 besaß die Gemeinde auch ein Tahara-Haus.
 

Ehem. Taharahaus (Aufn. J. Hahn, 2004)

Bis ins 19. Jahrhundert hinein lebten die Juden vor allem vom Handel mit Vieh und Landesprodukten, sowie von verschiedenen Handwerken. So soll es um 1840 - neben den mehrheitlich Handelstreibenden - vier Bäcker, vier Metzger, zwei Schuster, einen Schneider, vier Tuchmacher, zwei Uhrmacher, einen Seifensieder, einen Barbier, einen Hutmacher, einen Buchbinder, einen Glaser, einen Drechsler, einen Hafner, einen Stricker, sechs Weber, einen Weißgerber, einen Kürschner, einen Spengler und einen Bürstenbinder gegeben haben. Im Laufe des 19. Jahrhunderts eröffneten dann jüdische Familien Handlungen, Handwerksbetriebe und auch Fabriken am Ort, die von großer wirtschaftlicher Bedeutung für den Ort waren. So hatte Moses Samuel Landauer im Jahr 1857 mit seiner Weberei den ersten Krumbacher Industriebetrieb gegründet.

Nachdem die Zahl der jüdischen Gemeindemitglieder bis gegen Mitte des 19.Jahrhunderts stetig angestiegen war, setzte nach Aufhebung des Matrikelparagraphen 1861 eine Abwanderungswelle ein. Innerhalb weniger Jahrzehnte verkleinerte sich die Zahl der im Orte lebenden jüdischen Familien erheblich. Die damit verbundene Verarmung der Gemeinde führte dazu, dass nach dem Tode des Ortsrabbiners (1875) dessen Stelle nicht mehr neu besetzt wurde; zu besonderen Anlässen bediente man sich dann des Distriktsrabbiners.
Die noch im 20.Jahrhundert hier lebenden Juden waren weitestgehend in die kleinstädtische Gesellschaft integriert; so bestanden rege wirtschaftliche und soziale Kontakte zur christlichen Bevölkerungsmehrheit. Auf Grund der weiter zurückgehenden Zahl jüdischer Bewohner schloss die jüdische Schule im Jahre 1925 ihre Tore; die wenigen jüdischen Kinder und Jugendlichen besuchten nun die allgemeine Ortsschule. Mit dem rasanten Stimmenzugewinn der NSDAP in Krumbach (ab 1930) fiel auch die antijüdische Propaganda auf fruchtbaren Boden. So marschierten bereits zwei Jahre später SA-Angehörige durch die Straßen Hürbens und skandierten vor den von Juden bewohnten Häusern antisemitische Lieder. Während des Frühjahrs 1933 häuften sich antijüdische Ausschreitungen: Während des Boykotts wurden Geschäftsinhaber misshandelt, und Tage später fanden im Rahmen einer „Säuberungsaktion“ Hausdurchsuchungen und Festnahmen in jüdischen Geschäften statt. Im Laufe des Sommers 1935 verschärfte sich noch weiter der antijüdische Kurs in Krumbach; es kam zu Zuzugs- und Badeverboten für Juden; auch gewalttätige Übergriffe auf jüdisches Eigentum und den jüdischen Friedhof wurden verzeichnet. Krumbacher Bewohner, die sich gegen die offizielle Parteilinie in der „Judenfrage“ stellten, wurden denunziert.
Anfang der 1930er Jahre betrieb eine jüdische Hilfsorganisation aus München am Ort ein Kindererholungsheim, die „Ferienkolonie Krumbach”. Diese 1904 in München gegründete jüdische Kinderfürsorge betreute Kinder aus sozial schwachen Familien; seit den 1920er Jahren gab es in der Antonienstraße ein Kinderheim, das bis 1942 bestand. Nach 1935 wurden vermehrt jüdische Kinder auf ihre Auswanderung nach Palästina vorbereitet. Die „Ferienkolonie“ in Krumbach musste 1934 (oder 1938) aufgegeben werden; das ehemalige Kinderheim wurde anschließend für NS-Zwecke genutzt.

Während des Novemberpogroms von 1938, der in Krumbach am 10. November begann und mehrere Tage andauerte, wurden alle erwachsenen Juden der Stadt, auch die Frauen, verhaftet und ins Amtsgefängnis nach Günzburg gebracht; einige Männer wurden dem KZ Dachau überstellt. Während ihrer Abwesenheit drangen Angehörige der NSDAP-Ortsgruppe in die jüdischen Geschäfte und Wohnungen ein; dabei kam es zu Plünderungen und Diebstählen. Das Synagogengebäude blieb zwar äußerlich fast unbeschädigt, doch Inventar und Ritualgegenstände wurden zerstört; dabei mussten die jüdischen Gemeindemitglieder selbst mit Hand anlegen. Zudem waren die jüdischen Männer Demütigungen ausgesetzt: auf Befehl musste der Pferdehändler Gustav Götz den Leichenwagen besteigen, den andere Glaubsgenossen zur Synagoge ziehen mussten.

Im „Krumbacher Bote“ wurde am 12.Nov. 1938 vermeldet: „Gestern Abend wurde die Krumbacher Judenschaft zusammengetrommelt, um ihre Synagoge auszuräumen. Die seltene Gelegenheit, von der Arbeit schwitzende Juden zu sehen, wurde von vielen Volksgenossen wahrgenommen. Merkwürdige Dinge schleiften sie da aus ihrem Versammlungsraum und verluden die Gebetsrollen und die sonstigen mosaischen Utensilien auf die bereitstehenden Lastwagen der Gestapo. Auch die Judenschule mussten sie ausräumen. Ja wer hätte das gedacht, als Kurt Eisner (er war ab November 1918 bis zu seinem gewaltsamen Tod im Februar 1919 erster bayerischer Ministerpräsident) hoher Gast bei ihnen war oder als unsere einstigen Judengrößen in Kultur und Stadt Verwaltung ,machten’?“
Etwa ein Jahr später brannte das Synagogengebäude - inzwischen als Lagerraum durch die Wehrmacht genutzt - nieder; die Kommune erwarb dann die Ruine und ließ diese 1941 niederlegen.
Ein Bericht aus der Lokalpresse vom 27.Nov. 1939: „Am gestrigen Sonntagmorgen durcheilte gegen vier Uhr Feueralarm die schlafende Stadt. Das Gedäude der früheren Synagoge, das jetzt als Heulager verwendet wurde, stand in Flammen. Da die umliegenden Häuser stark gefährdet waren, musste die Freiwillige Feuerwehr Krumbach energisch eingreifen, ... , was ihr glücklicherweise auch gelang. Die Synagoge brannte innen vollständig aus. Das Feuer zerstörte auch den Dachstuhl, der teilweise zusammenstürzte. Den sehr massiv gebauten Außenmauern konnte das Feuer nichts anhaben. Am Brandplatz waren Landrat Ludwig Nachreiner und Oberstaatsanwalt Riebermeier-Remmingen erschienen. Über die Brandursache bestehen zwar, wie von der Polizeibehörde erfahren, Verdachtsgründe auf Brandstiftung; sie bedürfen jedoch noch einwandfreier Aufklärung.“

Zu Beginn des Jahres 1942 lebten noch 15 jüdische Bewohner in Krumbach; am 1.April d.J. wurden 14 von ihnen ins "Generalgouvernement" nach Piaski deportiert; von dort kehrten sie nicht mehr zurück. Die letzte Krumbacher Jüdin musste die Stadt Mitte August 1942 in Richtung Theresienstadt verlassen.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden insgesamt 65 gebürtige bzw. längere Zeit am Ort ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/huerben_synagoge.htm).
 
Nach Kriegsende kehrte kein einziger ehemaliger jüdischer Bewohner nach Krumbach zurück.

In einem weiteren Beitrag werden wir dann über die Jüdischen Gemeinden in Thanhausen, Ichenhausen, Buttenwiesen und Fischach berichten.


Quellen:
Rudolf Saumweber Vortrag "Jüdisches Leben in Burgau und in anderen Orten der Region"
"Historisches Lexikon Bayerns", Sabine Ullmann
Archiv der Stadt Burgau
"Burgau" von Alexander Schulz,  Archiv des Hist. Vereins Burgau Stadt und Land e.V.
Klaus-Dieter Alicke, “Jüdische Gemeinden” 2015, 2. Auflage.
Bilder:     Archiv Hist. Verein Burgau Stadt und Land e.V.

 

Irmgard Gruber-Egle
Historischer Verein Burgau Stadt und Land e. V.
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