Als ich Kind war, hörte ich des Öfteren, "A' dau liegsch au dau oder siehsch aus, wias Chrischtkendle von Boinagga!"
Diesen Ausspruch vergaß ich und vor einiger Zeit hörte ich ihn wieder von einer älteren Person. Als ich nachhakte und die Dame fragte, woher dieser Spruch wohl komme und was damit gemeint sei, konnte sie mir auch nicht so recht helfen. Sie meinte, dieser Ausspruch würde wohl sehr oft im Zusammenhang mit kleinen Kindern, die so wohlig und wonnig in ihren Kinderwägen liegen, verwendet. Das ließ mir keine Ruhe und so wurde ich dann doch eines Tages fündig. Eine weitere Kontaktperson, die sich auch im schwäbischen Dialekt auskennt, weihte mich dann in die Materie ein, nachdem ich weder meine Mutter noch meine Großeltern befragen kann, da sie nicht mehr leben.
Nachdem über die letzten Jahrzehnte der Gebrauch der Dialekte, so auch des Schwäbischen, sehr zurück gedrängt wurde, ist es umso wichtiger ihn wieder zu sprechen und auch schriftlich fest zu halten. Ich will Sie nicht länger mit dem Chischtkendle von Boinagga auf die Folter spannen.
Boinagga ist kein Ort, sondern heißt, "vom Bein weg nackt!"
Eine andere Auslegung geht sogar so weit, "vom Knochen (Boi) weg nackt!"
Die Darstellung des Christkindes nackt und nur mit einer kleinen Windel bedeckt, hat die Menschen in der Vergangenheit wohl zu diesem Ausspruch angeregt. Man verwendete dieses Synonym auch bei Erwachsenen, die sehr spärlich bekleidet waren. Leider insbesondere bei jungen Frauen. Aber natürlich besonders bei kleinen Babys und Kleinkindern, die oft sehr lieblich und mit ihren proppen Ärmchen und Beinchen im Sommer leicht bekleidet in ihren Kinderwägen liegen.
Die Darstellung des Jesuskindes erfolgte seit dem 15. Jahrhundert in vielfältiger Weise, zum Beispiel als etwa einjähriger Knabe, stehend und prunkvoll angezogen. So ist auch das berühmte Prager Jesuslein ausgeführt. Oder als sogenanntes "Fatschenkind", nackt, kostbar gewickelt und unter einem Glassturz. Das war auch die Zeit in der die Darstellung des Christkindes von der Weihnachtsgeschichte losgelöst erfolgte.
Prager Jesulein , 16. Jahrhundert
Fatschen Jesulein
Besonders Klosterfrauen durften beim Eintritt in ein Kloster so eine hölzerne, stehende Jesusfigur mitbringen. Die Figur konnten sie, dann als Kindersatz, immer wieder mit neuen schönen, selbst gefertigten Kleidern versehen.
Hier ist auf die Krippenausstellung in Mindelheim, im Jesuitenkolleg zu verweisen, in der das wahrscheinlich älteste Christkind der Welt gezeigt wird.
Ältestes Jesuskind, um 1300, im Krippenmuseum in Mindelheim
Dann kam im 17. und 18. Jahrhundert immer mehr die Darstellung des Jesuskindes in der Krippe, nackt, entweder in eine Windel gewickelt oder nur mit einer Windel bedeckt.
Da in der Vergangenheit die Darstellung von wohlgenährten Kleinkindern wichtig war, musste natürlich das kleine Jesuskind, pralle, mollige Ärmchen und Beinchen und gerötete Pausbäckchen haben . Die Realität sah bei der überwiegend bäuerlichen Bevölkerung nämlich anders aus. Viele Babys starben bei der Geburt, weil die Mütter sich während der Schwangerschaft nicht ausreichend ernähren konnten und schwer arbeiten musssten, oder waren bei der Geburt untergewichtig und lebten oft nur ein paar Tage oder Wochen. Zudem war die Ernährung von neu geborenen Kindern sehr häufig schwierig, einseitig und für die Mütter mit großen täglichen Problemen verbunden.
Die Realität wollte man bei Jesus, dem Sohn Gottes, ausblenden.
Zum Schluss muss ich Ihnen noch eine Burgauer "Weihnachtsgeschichte" erzählen:
Kurz nach dem Ersten Weltkrieg, sagte ein Burgauer Bauer zu seiner Frau und seinen Kindern, am Heiligen Abend "Wema en d'r Heiliga Nacht scho auf isch, nau komba au weehmühla*!" Gesagt, getan. Schwaben nutzen einfach die Zeit!
(*Weehmühla ist windmühlen mit einer Windfegemaschine, die die Spreu vom Getreidekorn mechanisch trennt.)
DER HISTORISCHE VEREIN BURGAU STADT UND LAND E.V.
wünscht allen Lesern von Burgau aktuell
EIN GESEGNETES UND FRIEDVOLLES WEIHNACHTEN UND EIN GUTES, GESUNDES UND CORONA ARMES NEUES JAHR!!
Bleiben sie alle gesund, im Namen der Vorstandschaft
Ihre
Irmgard Gruber-Egle
Quellen: Irmg. Gruber-Egle, privat
Text: Irmgard Gruber-Egle
Bilder: Wikipedia
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