Kaum Ferien, schon wieder Schulanfang. Aber immerhin hatten unsere Kinder heuer in Bayern einmal einen Sommer, wie aus dem Bilderbuch. Sie konnten ausgiebig zum Schwimmen gehen, sich einfach im Freien aufhalten und hoffentlich Kind sein. Nachdem das Jahr 2023 von Partnerschaftsfeiern geprägt war und kein Beitrag „Schule einst und heute“ erschien, möchten wir unsere Serie 2024 wieder fortsetzen.
 
Wir berichteten Ihnen in Burgau aktuell im Septemberheft 2022, dass die neue Ideologie der NS-Zeit, auch an Burgau nicht spurlos vorbeiging.
Am 22. Mai 1936 sprach der damalige Leiter des bay. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, Staatsrat Dr. Boepple, in einer großen Erzieherversammlung in München über den schrittweisen Abbau der klösterlichen Lehrkräfte an den öffentlichen Volksschulen in Bayern (Völkische Beobachter vom 14.10.1936 „Die deutsche Jugend muss einheitlich erzogen werden“).
 
Auszugsweise werden wir Ihnen einen Teil der Rede wiedergeben: „Bei der Neuregelung handelt es sich nicht etwa um die Aufhebung von klösterlichen Schulen oder Klosterschulen, die im Eigentum und in der Unterhaltspflicht von irgendwelchen Ordensgemeinschaften stehen, sondern es handelt sich um allgemeine öffentliche Volksschulen, die vom Staat und den Gemeinden erhalten werden. Bayern ist das einzige Land im Deutschen Reich, in dem der Unterricht in zahlreichen staatlichen Mädchenvolksschulen katholischen geistlichen Gesellschaften und religiösen Vereinen überlassen ist. Kein andres deutsches Land kennt eine solche Einrichtung, auch nicht das katholische Rheinland und das katholische Oberschlesien.“
 
Genau dies war von nun an der Tenor der deutschen Schulpolitik!
Es sollten relativ schnell an 400 staatlichen Schulen in Bayern 1676 weibliche katholische Lehrkräfte ersetzt werden. Sie gehörten 1936 in der Hauptsache den Ordensgesellschaften der Armen Schulschwestern, Englischen Fräulein, Franziskanerinnen, aber auch vereinzelt den Orden der Benediktinerinnen, Ursulinen, Zisterzienserinnen, Klarissen und den Töchtern vom Allerheiligsten Erlöser an.
In Burgau waren die Franziskanerinnen aus Dillingen sowohl an der Volksschule, im Kindergarten und im Krankenhaus tätig.
 
Aufgrund der Aufzeichnungen von Norbert Schuster jun. liegen uns Listen mit den tätigen Lehrern ab dem Schuljahr 1938/39 vor und auf diesen Listen sind dann ab 1939/40 bis 1945 keine Klosterfrauen mehr zu finden.
Denn ein weiteres Credo war, dass durch den Abbau der klösterlichen Lehrkräfte endlich weltliche junge Lehrkräfte angestellt werden konnten, die auf Anstellung und Beschäftigung warteten!
 
Erst ab dem Schuljahr 1945/46 findet sich der Name von Schwester Humiliana (geb. Schneid) wieder.
 
Zurück ins Jahr 1936. „Im laufenden Rechnungsjahr sollten 600 klösterliche Lehrkräfte abgebaut werden und durch weltliche Lehrkräfte ersetzt, die besonders tüchtig sind und den Aufgaben der Gegenwart besonders aufgeschlossen  gegenüberstehen.“ Auch entnommen der Rede von Dr. Boepple.
 
Denn die Schule war nach Ansicht Hitlers vor allem eine Vorstufe zum Wehrdienst.
Die Wehrmacht wurde daher auch „Schule der Nation“ genannt. Dies färbte vor allem auf den Schulalltag ab, indem Krieg und Kampf in allen Fächern gegenwärtig waren.
 
Schulalltag in der NS-Zeit (Archiv Hist. Verein Burgau)
 
Zudem sollte man auch in der Gegenwart ganz genau auf manche Ziele unserer Gesellschaft achten, die subtil verschleiert werden. So war auch das Schulsystem Hitlers angelegt, denn es benachteiligte in ganz besonderem Maße die Mädchen. Eine Schilderung des nationalsozialistischen Schulsystems sagt:
 
„Das Schulsystem im Dritten Reich ist dreigliedrig: Die Volksschule und die Mittlere Schule. Die Höhere Schule (dazu gehörten die Aufbauschulen für Jungen, die Aufbauschulen für Mädchen, die humanistischen Gymnasien für Jungen, die Oberschulen für Jungen, die Oberschulen für Mädchen und die Deutschen Heimschulen.)” 
Für Mädchen gab es keine Gymnasien, sie hießen Lyzeum.
 
Zur Abschaffung von klösterlichen Lehrkräften in den öffentlichen Schulen kam natürlich auch die Ausgrenzung sämtlicher jüdischer Lehrkräfte. Viele Juden schickten in Deutschland auch noch bis 1935 ihre Kinder auf öffentliche staatliche Schulen. Das lag zum einen daran, dass die Mehrheit der liberalen Juden öffentlichen Schulen den Vorzug gab. Jüdische Schulen galten ihnen als rückständig, sie wurden vorwiegend von Kindern der meist orthodoxen ostjüdischen Einwanderer besucht. An den staatlichen  Schulen unterrichteten deshalb auch viele jüdische Lehrkräfte.
Die Verdrängung jüdischer Lehrerinnen und Lehrer aus den öffentlichen Schulen begann unmittelbar nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten. Am 7. April 1933 wurde das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" verabschiedet, das Menschen "nicht-arischer Abstammung" in den vorzeitigen Ruhestand versetzte und sie so aus der öffentlichen Verwaltung drängte. Bis 1935 erlaubte das Gesetz allerdings Ausnahmen. Die Versetzung in den Ruhestand galt nicht für Beamte, "die bereits seit dem 1. August 1914 Beamte gewesen sind oder die im Weltkrieg an der Front für das Deutsche Reich oder für seine Verbündeten gekämpft haben oder deren Vater oder Söhne im Weltkrieg gefallen sind." Da relativ viele der männlichen jüdischen Lehrer unter die Ausnahmen fielen, tangierte das Gesetz zunächst vor allem die Lehrerinnen. Erst durch mehrere Novellierungen des Gesetzes betraf die Regelung bis 1935 auch alle männlichen Lehrer. 
 
Kommen wir nach Burgau zurück. Auch hier griff der nationalsozialistische Gedanke schnell um sich und es musste an der örtlichen Volksschule alles getan werden, um dem „neuen Gedanken der nationalsozialistischen Weltanschauung“ gerecht zu werden.
Hier wurden in Burgau am Käppeleberg in der NS-Zeit nicht nur Haushaltshilfen ausgebildet sondern auch Kindergärtnerinnen (heute heißt es Erzieherinnen)
 
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass im Schuljahr 1938/39 erstmals der                        8. Schülerjahrgang für Mädchen eingeführt wurde (dies betraf zum ersten Mal den Geburtsjahrgang 1924).  Zudem 1936 die Werktagsschulpflicht für Knaben und 1938 auch für Mädchen Pflicht  wurde, bei den Mädchen bedingt durch die Verlängerung auf 8. Schuljahre. 
Die Werktagsschule ist in etwa mit der heutigen Berufsschule vergleichbar. Auch hier mussten die Kinder nach der Volksschule drei Jahre die Werktagsschule besuchen, dies gehörte zur  allgemeien Schulpflicht! Zu dem Thema Werktagsschule wird es einen gesonderten Beitrag geben.
 
Die Schulgebäude in Burgau waren auch während der NS-Zeit das Schloss und die Mädchenschule.
 
 
                     
Schloss und Mädchenschule ungefähr um 1934
 
 
Es unterrichteten in der Zeit von 1939 bis 1945 folgende Lehrkräfte an der Volksschule Burgau:
Frau Oberwegner, Herr Karl Holl, Herr Norbert Schuster jun., Herr Anton Rogg, Herr Karl Kügle und Frau Elisabeth Herter. Diesen Lehrkräften wurde nach dem 2. Weltkrieg keine besonderen nationalsozialistischen Aktivitäten attestiert. Sie durften alle nach 1945 wieder unterrichten.
 
Im nächsten Jahr befassen wir uns mit der demokratischen Neuordnung Deutschlands und auch der Neuordnung des Schulsystems in Bayern, immer auch mit einem Blick auf Burgau.
 
Quellen: "Geschichte der Volksschule Burgau", von Norbert Schuster 1943, fortgeführt von Luise Haltmayer 1981 und Aufzeichnungen aus dem Archiv des Hist. Vereins Burgau Stadt und Land e.V.
Bilder: Irmg. Gruber-Egle, Archiv Hist. Verein Burgau Stadt und Land e.V.
 
Irmgard Gruber-Egle
Historischer Verein
Burgau Stadt und Land e. V. 
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