Die Belagerung Burgaus vor 700 Jahren durch Ludwig den Bayern, 1324 bis 1325

„Bei den Belagerten“

Von Norbert Schuster jun. 

 

(1898 – 1976)


Liebe Leser von Burgau aktuell, erinnern Sie sich, wir versprachen Ihnen eine Aufzeichnung von Norbert Schuster jun. zur Belagerung Burgaus auch zur Kenntnisnahme zu bringen, die er “Bei den Belagerten” nannte? Er hatte diesen Aufsatz als Beitrag für seinen Unterricht “Heimatkunde” verfasst.
Dieser wunderbare Artikel ist keine faktische und identische Aufzeichnung aus jenen Tagen, aber um den Schülern diese damalige Situation plastisch näher bringen zu können, verfasste Schuster dieses Schriftstück. Und um auch Ihnen die Situation der Belagerung vor 700 Jahren anschaulich zu machen, bedienen wir uns bei Norbert Schuster jun!

 „Burkhart von Ellerbach ging wie üblich zur Morgenandacht in die Schlosskapelle. Aber kaum hatte der Gottesdienst begonnen, lief ein Beobachter in diese und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Alle Augen der Anwesenden waren natürlich auf die beiden gerichtet. Was war los? – Begannen die Belagerer mit einem Sturm? – Doch nein! Dann wäre ja das Notsignal vom Schloss gegeben worden. – Die beiden verließen aufgeregt die Kapelle und stiegen eilenden Schrittes die Treppen im Schloss empor. „Hast Du den Rauch bestimmt gesehen?“ fragte Burkart. „Doch Herr, es ist keine Täuschung.“ Und ans Fenster tretend sagte der Beobachter weiter: „Hier! Überzeugt Euch selbst! Herr! An der von Euch bezeichneten Birke steigt Rauch auf.“ – Burkart schaute in die gewiesene Richtung im Moor. „Keine Täuschung. Es ist Nachricht für uns eingetroffen; einer muss hinaus und sie holen. Aber wer wagt das gefährliche Unternehmen?“ „Wenn die Hunde nicht wären, könnte es wohl gelingen“, meinte der Beobachter. „Vergangene Nacht war in Richtung Wettenhausen eine eigenartige Röte am Himmel zu bemerken und seit heute früh kommen beladene Wagen an. Auch einzelne Trupps Bewaffneter sah ich aus dem Walde treten.“ Burkart murmelte vor sich hin: „Vielleicht die Roggenstein? Lange hält es keiner aus; waren ja auch nicht vorbereitet.“

Burkart von Ellerbach stieg die Treppe hinunter, um die übliche Runde am Zaun zu machen. Der war verstärkt worden. Vor dem Zaune lagen Äste. Die Schlehdornhecken waren kurz vor der Belagerung in einem weiten Umkreis abgeschlagen worden und lagen nun vor der Umzäunung, doch so, dass die Sicht nicht beeinträchtigt wurde. Am Zaune standen frierend die Posten, von einem Fuß auf den anderen hüpfend. Auf dem Kopf hatten sie die übliche Zipfelmütze, doch den Eisenhut griffbereit. Die einen trugen den Eisenpanzer, andere die Lederjoppe. Die Waffen lehnten oder hingen am Zaun: Morgenstern, Drischel, Spitzhauen, Streitkolben, auch lange Spieße, Partisanen, Helmbarten und Schilde für die Ritter. Die Burkart von den letzteren antraf., trugen alle das Panzerhemd und waren mit dem Schwert umgürtet. Im Abstand eines Steinwurfes hingen Armbrüste bereit, den Angreifern den ersten Gruß zu geben.

 
Eine Badstube des Mittelalters

In der Nähe der Badstube zerrten einige Bürger fluchend und schreiend Schweine aus dem Stalle. Waren sie auf der Gasse, wurden sie von Hunden den Berg hinauf- und hinabgehetzt. Dieses Gegrunze und Gequietsche der Borstentiere war der Zweck des Unternehmens. Dadurch sollte denen vor dem Zaun erwiesen werden, dass im Städtchen kein Nahrungsmangel herrsche. Die Kühe und Ochsen litten ja Hunger. Ihnen brauchte man das Schreien nicht befehlen. Nur einige Stalltüren wurden des Nachts geöffnet und so das Vorhandensein der Tiere den Belagerern zur Kenntnis gebracht.

 

Das heutige alte Rathaus in Burgau - der Vorgängerbau -, war vermutlich auch das Kornhaus

Vom Kornhaus her kam nun Geschrei. Einer lief die Gasse herunter und rief nach dem Physikus. Burkart ging nun auch in das Haus, aus welchem der Lärm gedrungen war. Auf dem Tisch Würfel und Lederbecher und einige Häuflein Brakteaten*. Das verdammte Spiel wieder einmal und dazu der Wein! Auf dem Boden lagen Opfer und Täter, der aber gebundene Kunz, der Kessler**, hatte sein ganzes Geld verspielt und war mit seinen Genossen in Streit geraten. Der Dolch war dem Verwundeten in den Rücken gedrungen. Der Arzt, der bald darauf kam und die Wunde untersuchte, schüttelte seinen Kopf: „Holt den Schlosskaplan! Und Du mach Deine Sache eben!“

 

Ein mittelalterlicher Kessler (Schmied)

Der Gefesselte wurde in den Schlosshof geführt und sofort abgeurteilt. Da der Stadtgalgen jetzt nicht zu erreichen war, sollte das Urteil am nächsten Baum am Schlossberg vollzogen werden. Der Kessler sah die Schwere seiner Schuld ein, doch wehrte er sich gegen die Art der Sühne. „Herr!“ sagte er „ich war mein ganzes Leben ehrlich und an mir ist kein Falsch. Ich habe Euch Jahre hindurch gedient und – nehme ich an -Ihr wart zufrieden mit mir. Wenn es schon sein muss, gebt mir einen anderen Tod, meiner Kinder wegen!“ Burkart zog die Augenbrauen zusammen und sah mit durchdringendem Blick den Übeltäter an. „Kunz! Du warst mir immer ein treuer Diener, auf den ich mich verlassen konnte! Hast auch Dein Leben nicht nur einmal für Deinen Herrn eingesetzt! Du sollst Deine Ehre haben! – Nehmt ihm die Fesseln ab und gebt ihm seinen Dolch! – Nun folgt mir!“ 
Im Schloss gab Burkart den Befehl: „Du hast heute Nacht durch den Ring der Belagerer zu schleichen! Ein gefährliches Unternehmen! Denkt an die Hunde! Es wird eine kalte Nacht und Dein Weg führt durch die Mindel! – Der Müller von Jettingen kennt das Losungswort „Frei Habsburg!“ Bei ihm sind Nachrichten für mich eingelaufen und die hast Du zu bringen! -Was ich Dir jetzt sagte, darf Dir auch nicht der Tod entreißen! – Hast Du alles verstanden?“ – „Herr! Ich kenne meinen Auftrag und unterschätze die Gefährlichkeit nicht. Ich danke Euch!“
In der übernächsten Nacht überkletterte der Kessler wieder den Zaun und brachte die Nachricht, dass Herzog Leopold in wenigen Tagen vor Burgau eintreffe.“

So, oder ähnlich, oder auch ganz anders muss es sich im Januar 1325 in Burgau abgespielt haben.
Burgau wurde befreit und Ludwig der Bayer floh in der Nacht vom 10.Januar 1325 in die kalte Winternacht. Er ließ mit seinen verbliebenen Mannen alles zurück, Proviant, Tiere, Belagerungskugeln, Waffen und vieles mehr.
Er hat allerdings auf seinem Rückzug nach München über Augsburg etliche Dörfer und Weiler gebrandschatzt!

Der Historische Verein Burgau Stadt und Land e.V. wird im Herbst 2024 noch einmal an den missglückten Versuch erinnern Burgau, durch Ludwig den Bayern 1324/1325, zu erobern.
Aller Wahrscheinlichkeit nach findet eine dieser zurückgelassenen steinernen Geschosskugeln ihren Weg nach Burgau zurück. Wir werden Sie wieder informieren.

* Mittelalterliche Brakteaten (Hohlpfennige) sind einseitig aus dünnem Silberblech geprägte Pfennige mit einem Durchmesser von 22 bis 45 mm. Das Münzbild erscheint in einem hohen Relief, während die Rückseite hohl bleibt. Die große Fläche ließ viel Platz für künstlerische Darstellungen.

**  Kessler ist die spätmittelalterliche Berufsbezeichnung eines meist im Wandergewerbe tätigen Schmiedehandwerkers, der Geräte aus Kupfer, Eisen oder Messing anfertigt und repariert. Im süddeutschen und Schweizer Raum waren Kessler in zunftähnlichen Kesslergesellschaften organisiert. 

 


Quellen:  
Archiv des Hist. Vereins Burgau Stadt und Land e.V., Archiv der Stadt Burgau,
Aufzeichnungen von Norbert Schuster jun., 
Bilder:        
Archiv Hist. Verein Burgau Stadt und Land e.V., 
Irmgard Gruber-Egle
Historischer Verein Burgau Stadt und Land e. V.
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