Über 150 Jahre Kolonialwarenhandel in Burgau, der Familien Zöschinger, Weymayer, Fischer und  Mühlbauer

Sie erinnern sich, wir berichteten in der Oktober-Ausgabe von Burgau aktuell  bereits schon über die Anfänge des Kolonialwarengeschäfts in Burgau. Nun kommt unser zweiter Teil.                                             
 
Wieder war es die jüngste Tochter der Familie, diese Mal der Familie Weymayer, die das Geschäft und damit die Familientradition übernahm, Crescentia, geboren am 10. August 1886. Sie heiratete am 21. Juli 1909, den am 13.Oktober 1882 geborenen Kaufmann Eduard Fischer, Lehrerssohn aus Haldenwang. Dieser verstarb sehr früh, am 29. November 1929. Familie Mühlbauer befindet sich im Übrigen im Besitz einer gedruckten Hochzeitszeitung, anlässlich der Vermählung von „Cenzi und Jakob (Spitzname)“ Fischer. Daran sieht man, dass es eine bereits sehr „prominente“ Eheschließung  in Burgau war.
 
Eduard Fischer                             
 
Crescentia Fischer
 
Crescentia Fischer war im Übrigen die berühmte „Fischer Bäs“ in dem Fasnachtssprüchle „Fischer Bäs, Fischer Bäs hat da beschda Schweizer Käs!‘“.
 
Die Kolonialwarenhandlung Fischer führte in ihrem Sortiment offene Heringe roh oder als Bratheringe, Gurken und Sauerkraut offen aus dem Fass, Schweizer Käse vom Laib geschnitten, Zucker und Mehl zum Abfüllen und alle anderen Grundnahrungsmittel, wie aber auch viele Genussmittel. Wie es sich zu einem Kolonialwarenhandel gehörte bekam man in diesem Geschäft auch Seife, Soda, Schuhcreme, Waschmittel, Kaffee, Kakao, Schokolade, Reis und vieles mehr. Meine Mutter, Jahrgang 1924, kaufe sich bei der Fischer Bäs immer für 5 Pfennige eine Tüte Erdnüsse. Man muss 1932 eine große Tüte mit 5 Pfennigen bekommen haben. Genauso liebte meine Mutter den „Bärendreck“ des Hauses Fischer. Es handelt sich hier um Lakritze und sie war bei Fischer’s die Beste.
 
Außerdem fuhr mein Großvater, der als Landwirt auch einen Führerschein zum Fahren von Lastkraftwagen aller Art besaß, das ganze Sortiment der Kolonialwarenhandlung zu den Kunden aus. Da man bei der Kolonialwarenhandlung Fischer bereits einen LKW für die Transporte hatte, fuhr er nach Haldenwang, Konzenberg, Röfingen, Roßhaupten, Glöttweng, Landensberg, Rechbergreuthen, Winterbach und Waldkirch die Waren im Fass oder im  Sack oder auch abgepackt in die dortigen „Tante-Emma-Läden“. Viele dieser Verkaufsstellen waren in einem kleinen Raum in einem oft kleinen Söldnerhäuschen (kleine Landwirtschaft) mit untergebracht, denn zu dem Laden gehörte meistens ein kleiner Bauernhof oder ein Handwerksbetrieb. Diese Waren wurden aber auch bei den ortsansässigen Bäckern, so neben den Backwaren mitverkauft.
Die Firma Fischer lieferte ihre Waren aber auch in den Westen und den Süden von Burgau.
Dazu gehörten dann Schöneberg, Kemnat, Hartberg, Wettenhausen, Klein- und Großkötz, Kleinbeuren und Ettenbeuren, Limbach, Groß- und Kleinanhausen und natürlich Unter- und Oberknöringen.
Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
 
Das Geschäft in der Stadtstraße 4 zu Zeiten der „Fischer Bäs“
 
Wie auf dem Foto gut zu sehen ist, war nun die gesamte Front mit Schaufenstern ausgestattet und der Laden war zu einem Ladenraum mit 100 qm erweitert worden.
 
Dies war auch möglich, weil der Zugang zum Turm über das Haus Stadtstraße 4 nicht mehr erfolgen musste. Der Zugang zum Blockhausturm war bis zum Einbau einer Betontreppe 1916 auf der nördlichen  Seite des Turms  und dem Durchbruch als Fußgängerdurchgang zum Hause J.A.Miller, nur über das Haus Nummer 4 möglich.
Auf dem unten stehenden Foto kann man sehen, dass der Zugang über den ersten Stock des heutigen Anwesens Mühlbauer vor 1916 führte.
 
Zugang zum Stadtturm über den ersten Stock im Hause Mühlbauer
 
Familie Fischer mit ihren drei Töchtern und drei Angestellten
v.l.n.r.: Anni Fischer (Tochter), Crescentia Fischer, Hilde Fischer (Tochter),
Angestellte, Luise Fischer (Tochter), zwei Angestellte und Eduard Fischer
 
Todesanzeige von Eduard Fischer
 
 
Weiter ging es dann mit der nächsten Generation, nämlich mit Luise Mühlbauer, geborene Fischer. 
Eduard und Crescentia Fischer hatten drei Töchter Anni, Luise und Hilde. Wieder wurde das Geschäft in die nächste weibliche Generation übergeben und Luise, die mittlere Tochter,  war die Nachfolgerin. 
 
Luise Mühlbauer, dritte von rechts, mit Ihren Angestellten
 
Luise Mühlbauer geboren am 11. Oktober 1919, heiratete im Kriegsjahr 1944 Alexander Mühlbauer einen Diplom- Kaufmann aus München, geboren am 20.02.1911. Sie bekamen vier Kinder.
 
v.l.n.r.: Ilse Mühlbauer, Hermann Mühlbauer, Alexander Mühlbauer, Luise Mühlbauer, Eva Mühlbauer und Franz Mühlbauer 
 
Zusammen übernahmen sie die „Kolonialwarenhandlung Weymayers Nachfolger“ und bauten den Laden auf 160 qm Ladenfläche aus. Zudem wurde mit der Zeit daraus ein Selbstbedienungsgeschäft und der Namen lautete; Kaufhaus Mühlbauer.
Im Jahr 1976 schloss die Familie Mühlbauer ihr Geschäft, zuerst zog die Drogeriekette „Ihr Platz“ ein und heute ist es eine Gelateria.
 
Damit ging nun eine interessante Familiengeschichte in Bezug auf das Geschäft, wie aber auch dahingehend, dass dreimal die Nachfolge weiblich war, unweigerlich zu Ende!
 
Gelateria Stadtstraße 4
 
Kennen Sie ihn immer noch, den süßen kleinen Bengel, das war vor langer Zeit auch Hermann Mühlbauer!
 
 
Bilder: Historischer Verein Burgau Stadt und Land e.V., Familie Hermann Mühlbauer
Text: Irmgard Gruber-Egle, Familienunterlagen von Hermann Mühlbauer
Irmgard Gruber-Egle
Historischer Verein
Burgau Stadt und Land e. V. 
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