Im vergangenen Jahr ist unsere Reihe der schwäbischen oder Burgamer Weisheiten ein wenig zu kurz gekommen.
Wieder werden Sie mir zustimmen, dass wir sie am Leben erhalten müssen, indem wir sie gebrauchen.
Mein God, dau siehts ja aus, wie beim Schtenker z‘ Glett!
Hochdeutsch heißt das, hier sieht es aus, wie bei Hempels unterm Sofa.
Seien Sie ehrlich, wenn man so übers Land fährt, dann kommt einem der Gedanke schon das eine oder andere Mal.
Und weil wir gerade bei Beispielen verbunden mit Ortsnamen sind, kenne ich den Spruch:
Wia d’r Gottig von Offinga!
Wahrscheinlich gab es irgendwann Jemanden aus Offingen stammend, der etwas einsam und verloren so dahinlebte. Ich glaube heute gibt es mehr Menschen denn je, die sehr einsam und verloren wirken.
Zu besonders neugierigen Kindern pflegten die Erwachsenen zu sagen,
In Ulm isch au a Ma‘, der woiß au et alz!
Der Spruch eignet sich aber auch für extrem vorwitzige Erwachsene!
Als Kind dachte ich immer, wie funktioniert das, wenn man so etwas sagt, nämlich:
Ach Herr, lass Abend werden, am beschda scho am Vormiddag!
Dies denke ich heute auch, wenn man aufsteht und der Tag mit den zu erledigenden Pflichten fast zu kurz zu sein scheint!
Oh God, d’r sieht nix, herd nix ond will Nachtwächder wära?
Dieses Gefühl beschleicht einen schnell, wenn liebe Mitmenschen von Tuten und Blasen keine Ahnung haben, aber überall mitreden. So berufsungeeignete Nachtwächter haben wir heute auch jede Menge.
Genau diese Weisheit ist für mich ein Paradebeispiel für die feinsinnige schwäbischen Sprichwörter, man könnte auch sagen, „Der/Die überschätzt sich maßlos und ist ungeeignet!“ Aber in so ein Beispiel verpackt klingt es einfach schöner!
Nachdem wir uns in der Winterszeit bewegen, hat der folgende Spruch uneingeschränkte Richtigkeit:
A‘ guada Supp‘ weggt an Dodaa auf!
Eine warme Suppe mit ein paar kräftigen Einlagen war für unsere Vorfahren, insbesondere im Winter, oft das A und O um sich von Innen aufwärmen zu können. War es gar eine kräftige Fleischbrühe gab sie auch Kraft und Energie und eine Hühnersuppe gilt bis heute als antibakteriell und bei grippalen Infekten als heilend.
Wia d‘r Narr am Getter!
Sie können sich bestimmt gut vorstellen, wenn Menschen sehr wütend sind, alles um sich herum zerstören und wild um sich schlagen, sagten meine Großeltern dies. Der Spruch geht auf eine Zeit zurück, als man wilde Tiere, aber auch geistig behinderte Menschen hinter Gittern steckte.
Ob Mensch oder Tier, keiner will eingesperrt sein und sie rütteln heftig an den Gitterstäben.
Auch hier bedient sich der Dialekt eines abrufbaren Sinnbildes und erspart sich ellenlange Erklärungen.
Wema alz ka‘, muas ma alz do!
Da diese Weisheit absolute Richtigkeit hat, wurde sie angewendet um Situationen zu entgehen, wo man für alle Arbeiten zu sein schien!
Wenn jetzt et glei deine Sacha ordelich na‘legsch, nau verloddrat se!
Dieser Ausspruch galt in erster Linie Kindern, die gerne ihre Utensilien, aller Art, liegen ließen, vergaßen und auch nicht pflegten. Wenn man heute die Müllberge anschaut, sollte man diese Erkenntnis wohl öfter sagen, auch zu Erwachsenen. Im Zeitalter der Nachhaltigkeit zutreffender, denn je!
Wir haben Winter, aber aufgrund der Wissenschaft wissen wir heute, dass das Temperaturempfingen subjektiv ist und von vielen Faktoren abhängt.
Aber es gibt nach wie vor Menschen, die packen sich bei den ersten kälteren Tagen im Jahr in mehrere Lagen Winterkleidung ein!
Hier sagte meine Mutter:
S‘ Groodeis, gat abr no ed!
Dies heißt, noch ist nicht mal die Erde gefroren, oder wir haben gar eine meterdicke Eisschicht wie in Sibirien.
Haben Sie eigentlich auch Dinge, die um alles in der Welt nicht kaputtgehen? Obwohl man sie nicht besonders mag!
Des Glomb hebt ewig ond drei Däg!
Das konnte aber auch der Spruch eines besonders guten und findigen Verkäufers gewesen sein.
Des sitzt mer aber scha ganz schea em Gnack!
Probleme können einem im wahrsten Sinne des Wortes im Nacken sitzen. Sie drücken auf das Gemüt, genauso wie aber auch auf den Körper. Dass dies stimmt, weiß heute die Wissenschaft auch. Deshalb haben viele Berufstätige starke Nackenverspannungen, weil Ihnen der Alltag im Nacken sitzt.
Oft ist es im Leben so, dass entweder Personen zusammen kommen, die sich besonders schlau fühlen oder sich Ereignisse oder gar Probleme häufen, dann ist der folgende Ausspruch, der all die vorangegangenen Erklärungen in einem knappen Satz zusammenfasst, wieder sehr feinsinnig:
Jetzt gad d‘Uhr recht!
Hier wird kurz und bündig der Verzweiflung oder der Erkenntnis freien Lauf gelassen.
I’ wirf die hochkand aus em Feschter, wend jetzt et glei a Ruah geisch!
Ich weiß, dass dieser Ausspruch nicht mehr in das heutige Erziehungskonzept passt, weil mit einer Drohung operiert wird. Aber soll ich Ihnen mal was sagen, meine Generation konnte so einen Ausspruch sehr wohl einordnen?! Man wusste zum Beispiel dann auch, dass man nun alles ausgereizt hatte!
Zum Schluss ein paar einfache schwäbische Aussprüche:
A‘ Gniega hau!
Auch einmal mit etwas zufrieden sein.
Eine Zustimmung kann ganz kurz und bündig sein:
A‘ freilee!
Knapp und präzise ist auch:
A guads Nuis!
Und heute wieder zum Abschluss ein echtes, sich in Burgau zugetragenes G’schichtle.
In Burgau gab es ein Amtsgericht und es waren studierte Advokaten und Juristen dort tätig.
Ein solcher Amtsgerichtsoberrat wurde kurz nach dem Ersten Weltkrieg nach Burgau versetzt mit seiner gesamten Familie.
Das Paar hatte zwei Töchter und der Herr Rat verlangte von seiner Frau und den Töchtern sich auch entsprechend im Städtchen zu bewegen. Gebildet, sauber und anständig gekleidet.
Nachdem „Frau Amtsrat“ nach 20-jähriger Ehe nun einmal ihren Gatten um Geld bat um sich einen neuen Rock kaufen zu können, entgegnete diese kurz und bündig: “Hättest Du einen Rock mit in die Ehe gebracht, dann hättest Du jetzt einen!“
Der endgültige Ausgang der „Rockgeschichte“ ist nicht bekannt!
Irmgard Gruber-Egle
Historischer Verein
Burgau Stadt und Land e. V.
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Postkarten: Jürgen Pommer, Burgau
Georg Lauter +, Unterknöringen
Neujahrsglückwünsche 1941
Burgau im Schnee in den 1950iger Jahren
Das ist das sog. „Burgauer-Hochhaus“ vom Spitalberg her aus gesehen, daneben die Scheune der „Stadtwirtschaft“, die Wirtschaft und eine dazugehörige Landwirtschaft gehörten der Familie Bronner, unterhalb das Haus und der Garten der Familie.
Das Bild stammt aus den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg.
Eine Postkarte aus dem Besitz von Georg Lauter, Unterknöringen, aufgenommen zwischen den Weltkriegen