Neuere Sportgeschichte in Burgau

Vor ein paar Wochen kamen zwei der damaligen „Eishockey-Verrückten“ auf den Historischen Verein Burgau zu und baten doch die Anfangsgeschichte des heutigen ESV und der Eissporthalle in Burgau stadtgeschichtlich zu beleuchten. Da wir uns beim heutigen ESV weder in seine Chronikerstellung, noch in seine vereinsgeschichtlichen Belange mischen wollen, betrachten wir die Initiative vor 51 Jahren als ein heimat- und stadtgeschichtlich nennenswertes Ereignis. Durch die Pandemie ist das runde Jubiläum, nämlich die 50 Jahre, etwas weiter verrutscht ins 51-te Jahr!

Kaum zu glauben, aber bereits seit 51 Jahren wird in Burgau Eishockey-Turniersport, also angemeldet und einer Liga zugehörend, gespielt.
Genau genommen am 26.12.1971 fand das erste Turnierspiel in Lindenberg/Allg. statt.

Wie sich Eishockey Begeisterte und Fans bestimmt gut erinnern können, wurde das erste Eisstadion auf dem ehemaligen „Riedweiher“, an der „Knochenmühle“, gebaut.
Aber beginnen wir ganz von vorne:

Am 29.12.1970 gründeten Eishockey-Interessierte in dem damals weit über die Burgauer-Lande hinaus bekannten Restaurant und Tanzlokal „Knochenmühle“, Gebr. Ried, die Sparte Eislauf im TSV Burgau.
Bereits im Februar 1971 fand ein erstes Freundschaftsspiel gegen Ichenhausen statt, auf dem provisorisch von Anton Findler aufgespritzten und aufgestauten Eislaufplatz auf dem heutigen Parkplatz des Eisstadions. Ichenhausen gewann mit 5:1.


Erster Eislaufplatz an der Badstraße

 
Es ging rasant weiter. Mit Franz Dertinger einem BLSV Funktionär und Sportbegeisterten der ersten Stunde, insbesondere im Fußball, konnte zudem ein pensionierter Hoch- und Tiefbauingenieur für die Idee ein Eishockeystadion zu bauen gewonnen werden.

 
Franz Dertinger (1899-1975) erster Spartenleiter, Stadionansager, Eisstadionkonstrukteur,
einfach der Mann mit für die erste Stunde

Bereits im März 1971 plante man auf dem sog. „Riedweiher“ ein Natureisstadion mit den Maßen 60 x 30 m und einer Beleuchtung mit 24.000 Watt/h. Die GZ berichtete damals „16 Verrückte bauen ein Stadion“!
Das erste Punktspiel fand dann wie bereits erwähnt am 26. Dezember 1971 in Lindenberg/Allg. statt.
Die Allgäuer gewannen damals mit 21:0 Toren. Der damalige Spartenleiter Franz Dertinger wechselte in diesem historischen Spiel seine Spieler per Trillerpfeife von außerhalb der Bande aus!
Nicht nur in den bei uns eisfreien Monaten, sondern das ganze Jahr fuhren die eishockeybegeisterten Burgauer zwei Jahre lang jeden Donnerstag nach Memmingen um dort, ab 22 Uhr, auf dem dortigen Kunsteis zu trainieren. Die Rückkehr erfolgte sehr oft gegen drei und vier Uhr morgens. Da es damals die heutige A7 noch nicht gab, „gurkten“ diese Eishockey-Verrückten über sämtliche Dörfer, bei Nacht und Nebel und in den Wintermonaten auch bei Glatteis. Alle Spieler fuhren mit den eigenen PKW’s, spielten mit der selber gekauften Ausrüstung, rund herum gesagt, bezahlten alles selber!

Am 21. Januar 1972 war das erste Natureisstadion in Burgau fertiggestellt. Man konnte dort dann auch im Winter trainieren. Die Wasserzufuhr erfolgte mit einem Feuerwehrschlauch von der Knochenmühle aus und das Aufwärmen der Spieler erfolgte so manches mal mit „Hochprozentigem“. Der Pachtvertrag mit den Gebrüdern Ried betrug 1 DM im Jahr. Der erste Burgauer Eishockey-Trainer in Burgau war Fabian Leitner.

 
Letztes Bild der Eishockeymannschaft in grün-weiß, den Farben des TSV-Burgau,
aufgenommen auf dem „Riedweiher“ mit Franz Dertinger, Karl Ehmann und Oswald Dengler


Am 25. März 1975 rang sich dann der Stadtrat von Burgau mit Bürgermeister Alfred Seidler als Hauptbefürworter durch, ein Kunsteisstadion am Freibad zu bauen. Eine extra hierfür erstellte demographische Studie von Oswald Dengler konnte damals sowohl den Stadtrat als auch die Oberen des Bayerischen Eissportverbandes davon überzeugen, dass dieses Stadion ein Alleinstellungspotenzial im Umkreis von 40 km hat. Nebenbei gesagt, ist dies so bis zum heutigen Tag.

Da der damalige Eishockey- oder Eissportverein zuerst nur eine Sparte und dann kurz noch eine Abteilung im TSV war, kam das unvermeidliche Aus für diese „Zweckgemeinschaft“ und die Abteilung Eissport gründete 1974 kurzentschlossen einen eigenen Verein, den heute noch agierenden ESV Burgau.
Ein Antrag auf Zuschüsse zum Neubau des Eisstadions führte letztendlich zwischen dem damaligen TSV Präsidenten Baumeister und den Vorderen des Eissportvereins zum endgültigen Bruch.

 
Artikel 1974 in der GZ

Im November 1975 war die Fertigstellung des neuen Eisstadions und am 15.11.1975 wurde es eingeweiht.

 
Auf dem Bild sind zu sehen: Bgm. Wolfgang  Schuhbaur, Abteilungsleiter Joachim Pohlert, Stadtpfarrer Huber, Stadtrat Georg Findler, Ludwig Schürßner, Peter Köllner, Karl Ehmann, Werner Gebauer, Herr Weber, Herr Wilsch

Ganz besonders erwähnenswert ist zudem die bereits in 1980iger Jahren praktizierte Energieeinsparung, denn mit der Eisbereitungsanlage konnte im Wärmetauschverfahren dann im Sommer das Freibad beheizt werden.


            
Erstes Eisstadion an der Badstraße

Der erste Abteilungsleiter der Eishockeyspieler war Karl Ehmann. Karl Ehmann war für den Eishockeysport Mäzen, Förderer und sein Schuh- und Sportgeschäft die „Eishockeyzentrale“. Alle und alles traf sich in der Stadtstraße beim „Ehmann Karl“, dort wurde geplant, getüftelt, beratschlagt und beschlossen.
Sein Nachfolger war dann Joachim Pohlert, der die „Eishockeyler“ auch in die Selbständigkeit führte.

Spieler, Trainer und Funktionäre der ersten Stunde die heute noch leben sind Fabian Leitner (erster Trainer), Peter Köllner (Kapitän), Peter Ried, Helmut Ried und Rainer Ried, Oswald Dengler, Josef Berger, Reinhard Seichter, Ulli Frey, Reinhard Futterknecht, Werner Gebauer (heute 1. Vorsitzender des ESV) Robert Muskietorz.
Erinnern Sie sich noch an die ersten „tschechoslowakischen Eishockeyspieler“ in Burgau wie Vlasta und Karel Matous, Jiri Beranek und Franz Polidar? Sie stammten alle aus Budweis und der „Prager Frühling“ 1968, hatte sie zu uns geweht.

Der Eissport beschränkte sich in Burgau aber nicht nur auf das Eishockeyspiel, früh schon kristallisierte sich eine Abteilung Eiskunstlauf mit allen möglichen Facetten heraus. Dies war natürlich erst ab 1975 mit dem professionellen Eisstadion möglich. Der erste Eiskunstlauftrainer in Burgau hieß Herr Selwitschka.

Das Eishockeyspiel machte Burgau auch im Wintersport weit über die schwäbischen Grenzen hinaus bekannt.  Aber auch mit dem Angebot „Publikumslauf“ ist Burgau zwischen Augsburg und Ulm und Mindelheim und Heidenheim schon über 45 Jahre der Renner im winterlichen Freizeitsport.
Die Attraktivität erhöhte sich natürlich mit dem Bau der Eissporthalle 2016.

Rückblickend muss gesagt werden die Idee und dann die Initiative der damals „16 Verrückten“ war weitblickend und zukunftsweisend. Chapeau, ihnen gebührt unser großer Dank!

Quellen und Fotos: Oswald Dengler, Peter Köllner, Peter Ried, Heinz Schader




Text: Irmgard Gruber-Egle, Historischer Verein Burgau Stadt und Land e. V.
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