Nach Recherchen von Norbert Schuster sen. und Dr. Alexander Schulz kann davon ausgegangen werden, dass die Kinderbrotspeisung in Burgau auf alle Fälle älter als 425 Jahre ist.

Denn die Stadt Burgau ist erst ab 1594 im Besitz seiner Ratsprotokolle und Rechnungsbücher. Bereits aber 1594 sind die ersten Ausgaben in den städtischen Unterlagen für die Kinderbrotspeisung zu finden.
Es wird darin immer darauf hingewiesen, dass es sich hier um eine Aktion anlässlich einer Hungersnot handelt.
Dies ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine spätere Interpretation, denn laut Werner Mezger, einem der wenigen Fasnachtsexperten des süddeutschen Raumes, war das Außerkraftsetzen der bürgerlichen Ordnungen immer schon ein Ritual am "Gumpigen  Doschtig". Dazu gehörte auch, dass die Kinder und später die gesamten Schulen und Kindergärten mit großem Aufgebot durch die Straßen zogen und ziehen.
Es ist daher anzunehmen, dass die Burgauer Kinderbrotspeisung bereits ein frühes Ritual in der Markgrafschaft war, das mit der sogenannten "Kinderbrotspeisung",  den  Brezen  des Magistrats, am Rathaus endete. Nach den vorhandenen Rechnungen zu urteilen, wurde die Gabe an die Kinder aus dem Stadtsäckel bezahlt.
In vielen kleinen Orten zwischen Mindelheim und Nördlingen wurde auch am "Gumpigen Doschtig" von den Kindern der Taglöhner die Fasnacht angeschrien, indem sie verkleidet als "kleine Reiter" von Bauernhof zu Bauernhof zogen um den Bewohnern zu verkünden, dass die Fasnacht beginne und bettelten dann um Naturalien. Die Gaben der Bauern waren kleine Äpfel, Haselnüsse, Hutzeln (Birnen und Zwetschgen) und Schweineschmalz. Besonders diese Gabe war den Müttern der kleinen Fasnachtsanschreier besonders wichtig, da ein kleiner Löffel Schmalz ins tägliche "Schwarze Mus" zum Frühstück den Hunger stillte und Energie gab. Die erwachsenen Taglöhner aßen am Morgen bereits mit Schweineschmalz gebratene Kartoffel.
Der Brauch des Fasnachtsanschreiers war bis 1930 noch üblich, so auch in Ober- und Unterknöringen, wo er allerdings "Schmalzbettler" hieß. Daher kommt auch der Spruch "Du schnaufesch wia Schmalzbettler!".
Diese Bräuche im bayrisch-schwäbischen Raum starben teilweise von heute auf morgen aus durch die Einführung vieler Neuerungen und auch der modernen Verkehrsmittel.

In Burgau überlebte das Brauchtum der Kinderbrotspeisung wohl deshalb, weil mit der Einführung der allgemeinen und staatlichen Schulpflicht 1802, engagierte Bürger und überzeugte Fasnachter es übernahmen, die Kinder gesammelt von der Schule abzuholen und durch das Städtlein zu führen.
Auch hier muss man sich aber in dieses 19. und 20. Jahrhundert versetzen. Die Lehrer waren nicht begeistert, wenn die Kinder in der Winterzeit bereits am Vormittag des "Gompigen Doschtig" abgeholt wurden, denn gerade die Bauernkinder, und die Anzahl dieser Kinder war groß, gingen sowieso nur in den Wintermonaten regelmäßig zur Schule. Es war bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges üblich, dass die Kinder, Buben wie Mädchen, von einer Landwirtschaft ab dem Frühjahr für Feldarbeiten freigestellt wurden.
Deshalb kam der Leimer immer so gegen 11 Uhr an die Mädchenschule und zum Schloss um die Kinder abzuholen, am "Gompiga Doschtig".
Da auch im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert weder die Bäcker, noch die Metzger, wie auch die Kolonialwarenhändler reiche Leute waren, die etwas zu verschenken hatten, ist davon auszugehen, dass das bekannte "Brezga raus" nur am Rathaus erscholl und der Magistrat beschenkte dann die Kinder mit dieser Gabe.
Bei uns in der Umgebung gibt es noch ähnliche Bräuche, nämlich die "Brezenhurre" in Ziemetshausen. Ein Brauch, der ursprünglich eine Belohnung der Kinder am Palmsonntag mit der Palmbreze war.
Dieser Brauch wird, nachdem er in die Fasnacht geholt wurde, am "Gompigen Doschitg" durchgeführt.

Um wieder nach Burgau zurück zu kommen, hat dann erstmals nachgewiesen der sog. "Leimer"  bei den Burgauer Bauern und den Bauern der Umgebung Korn gebettelt, fuhr es mit einem Leiterwagen zu den Burgauer Mühlen und brachte das Mehl anschließend zu den Burgauer Bäckern.

 
"D'r Leimer", 1935 verteilte er letztmals 600 Brezen

Es wurden also nur die von dem erbettelten Mehl gebackenen Brezen an der Kinderbrotspeisung vor dem Rathaus verteilt.
Die Kinder zogen sehr wohl durch die Stadt, aber die Verteilung der Brezen fand ausschließlich nur am heutigen "Alten Rathaus" statt. Der damalige Stadtsekretär Johann Nepomuk Weidmann half dem "Magistrat" bei der Verteilung.
In Burgau gingen aber die Kinder, ähnlich wie die "Fasnachtsanschreiern" auf den Dörfern, am "Gompiga Doschtig" am Nachmittag in die kleineren und größeren Geschäfte und erbettelten, etwas Essbares, was immer es auch gewesen sein mag. Dieser Brauch hat sich bis zum heutigen Tag erhalten.
Bis zum Zweiten Weltkrieg hatte Burgau in etwa 2.500 Einwohner und davon im Jahre 1938 genau 309 Schulkinder.
 

Kinderbrotspeisung mit dem "Trommler Albert 1959

Der Historische Verein Burgau Stadt und Land e.V. hat sich einstimmig dafür ausgesprochen, diesen einmaligen und wunderbaren Brauch zu erhalten. Der Wochentag spielt hier eine untergeordnete Rolle, wie man an der Geschichte der Kinderbrotspeisung sieht.
Den Kindern muss es gefallen, sie spielen hierbei die Hauptrolle, das sollte man nicht vergessen und dies war im Fasching 2018, am "Rußiga Freitig", der Fall.

Quellen: Hist. Verein Burgau Stadt und Land e.V., Werner Mezger "Das große Buch der Schwäbisch Alemannischen Fasnet", Stuttgart 1999.

 

         Irmgard Gruber-Egle
         Historischer Verein
         Burgau Stadt und Land e. V.
         Bilder und Text urheberrechtlich geschützt. Kopieren und vervielfältigen nur mit Genehmigung der Urheberin