Wie Ihnen im vergangenen Jahr angekündigt, werden wir heuer zu Beginn des Schuljahres 2018 wieder einen Teil der Schulchronik Burgaus betrachten.

Sie wurde sehr genau und differenziert von Norbert Schuster und Luise Haltmayer, untergliedert in die  Bereiche des Schulwesens über viele Jahrhunderte, aufgeschrieben. Dieses komplexe Werk ist für Burgau von unschätzbarem Wert, da es auch genau alle Quellen der Nachforschungen enthält.

In diesem Jahr werde ich in dieser Chronik die Berichte über die sogenannte Sonn- und Feiertagsschule, wie die Gewerbeschule in Burgau näher ansehen.
Die Menschen der heutigen Zeit glauben immer, dass alle schulischen Einrichtungen und Errungenschaften Ergebnisse der Moderne wären.

Dies ist bei Weitem nicht der Fall. Die Vorläufer der heutigen Berufsschulen waren die Sonn- und Feiertagsschulen, wie auch etwas später die gewerbliche Fortbildungsschule.
Man lese und staune, dass im bayerischen Schulpatent von 1774 bereits festgehalten war, dass für die Entlassenen der Werktagsschule (Volksschule) bis zur Erreichung des 20. Lebensjahres der Besuch der sonntäglichen Wiederholungsstunden nach dem nachmittägigen Gottesdienst Pflicht sei.
Es galt auch in Burgau nach einer weiteren Verordnung vom 12.09.1803, dass solche Sonn- und Feiertagsschulen zu errichten seien und in dieselben alle Handwerksgesellen, alle Lehrjungen und alle jungen Leute männlichen wie weiblichen Geschlechts aufzunehmen sind.
Interessant ist hier zu lesen, dass die Lehrjungen nicht freigesprochen werden konnten, wenn sie nicht durch ein Zeugnis des Pfarrers oder Inspektors nachwiesen eine solche Schule besucht zu haben. Im Dekret von 1803 stand, dass sowohl Mädchen wie Buben zwischen dem 12. und 18. Lebensjahr zum Besuch solch einer Schule anzuhalten sind.
Ferner stand auch in dieser Verordnung, dass junge Menschen weder ein Anwesen übernehmen, sich noch verehelichen können, wenn sie nicht so eine Schule besucht und den Besuch auch nachweisen konnten.
Die Verordnungen, die Sonn- und Feiertagsschule betreffend, änderten sich im 19. Jahrhundert häufig, so besagt die Schulpflichtverordnung von 1856, dass die Schulpflicht für die Feiertagsschule für beiderlei Geschlechts bis zum vollendeten 16. Lebensjahr besteht.

Was wurde in diesen Sonn- und Feiertagsschulen gelehrt?
"Lesen, Schreiben, rechnen und andere nützliche Kenntnisse, um immer brauchbarer und nützlicher, Religion und Moral, um immer christlicher, besser und Gott gefälliger zu werden."

Der Unterricht wurde nach Geschlechtern getrennt gehalten, für die Knaben am Sonntagvormittag und für Mädchen am Nachmittag.
Nach der ersten Schulteilung in Burgau übernahm der "Chorregent" die Mädchen, der Lehrer die Knabenabteilung.
Das Schuljahr endete mit einer Prüfung.
Die Prüfung  bestand im Schuljahr 1871/72 in:

• Lesen in der Kirchengeschichte

• Einen Aufsatz zu schreiben über wahlweise folgende Themen:
  Wert der Eisenbahnen
  Der Telegraph
  Einen Brief zu schreiben, in dem man um ein Darlehen zu    einem Geschäftsbetriebe nachsucht
• Rechnen, beinhaltete Aufgaben der Addition mit Dezimalbrüchen und die Anwendungen der neuen Masse und Gewichte, so wie Subtraktionen und Multiplikationen

Nach langem Hin und Her, von 1862 bis 1906, zwischen dem Bezirksamt und dem Stadtmagistrat Burgau wurde dann auch1906 in Burgau eine gewerbliche Fortbildungsschule installiert.
Diese neue Einrichtung mussten alle in der Stadtgemeinde wohnhaften Handlungslehrlinge und Gehilfen, Gewerbelehrlinge, Gesellen, Gehilfen, Fabrikarbeiter, überhaupt alle, die Arbeiter im Sinne der Gewerbeordnung für das Deutsche Reiche von 26.7.1900 sind, verpflichtend  besuchen. Diese Verpflichtung begann mit der Entlassung aus der Werktagsschule und endete mit der Entlassungsprüfung der Fortbildungsschule desjenigen Jahres, in welchem der Schüler das 16. Lebensjahr vollendete.
Zudem hieß es, dass die gewerbliche Fortbildungsschule eine Gemeindeanstalt sei und ihr Besuch obligatorisch und befreit, unbeschadet der Verpflichtung des öffentlichen Religionsunterrichtes (Christenlehre), von dem Besuch der Sonntagsschule. Für heutige Menschen übersetzt, wurde  in dieser Verordnung festgelegt, dass aber alle jungen Menschen trotzdem bis zur Vollendung ihres 16. Lebensjahres am Sonntagnachmittag am Religionsunterricht teilzunehmen hatten.
Ferner stand in der Schulordnung, dass derjenige der die Entlassungsprüfung nicht mit entsprechendem Erfolg besteht, zum weiteren Besuch der Fortbildungsschule auf eine im Voraus zu bestimmende Zeit, längstens aber auf die Dauer eines Schuljahres angehalten werden kann.

Bereits hier wurde schon ein Passus mit aufgenommen, der bis zum heutigen Tag Gültigkeit hat, nämlich der, dass die Eltern, Pflegeeltern und Vormünder, Dienst- und Lehrherrn, sowie Arbeitgeber verpflichtet sind, die für den Besuch des Unterrichtes in der gewerblichen Fortbildungsschule erforderliche Zeit zu gewähren.

Es wurden wöchentlich jeweils am Sonntag, Montag und Freitag sechs Stunden angesetzt, sowohl in der Winterzeit (1. November bis 31. März) als auch in der Sommerzeit (1. April bis 31. Oktober).
Unterricht wurde in folgenden Fächern erteilt:
Deutsche Sprache, Rechnen, Geographie, Geschichte, Naturkunde, Buchführung und Wechsellehre, Zeichnen, Lebens- und Bürgerkunde wie auch Gewerbekunde.

Wie Sie sehen eine bereits sehr moderne Verordnung.
Wie die Entwicklung der gewerblichen Fortbildungsschule in Burgau im 20. Jahrhundert weiter geht, lesen Sie im nächsten Jahr, denn die in diesem Artikel zitierte Schulchronik bietet erfreulicherweise noch sehr viel Stoff für weitere Beiträge über Burgaus Schulwesen und seine Lehrer.

 

Diplom der Gewerbeschule Wangen, von Karl Miller aus Burgau


Quellen: "Geschichte der Volksschule Burgau", von Norbert Schuster 1943, fortgeführt von Luise Haltmayer 1981
Bilder: Fam. Michael Miller, Burgau
Text: Irmgard Gruber-Egle, Historischer Verein Burgau Stadt und Land e. V.
Bilder und Text urheberrechtlich geschützt, kopieren und vervielfältigen nur mit Genehmigung
Wie Ihnen im vergangenen Jahr angekündigt, werden wir heuer zu Beginn des Schuljahres 2018 wieder einen Teil der Schulchronik Burgaus betrachten.

Sie wurde sehr genau und differenziert von Norbert Schuster und Luise Haltmayer, untergliedert in die  Bereiche des Schulwesens über viele Jahrhunderte, aufgeschrieben. Dieses komplexe Werk ist für Burgau von unschätzbarem Wert, da es auch genau alle Quellen der Nachforschungen enthält.

In diesem Jahr werde ich in dieser Chronik die Berichte über die sogenannte Sonn- und Feiertagsschule, wie die Gewerbeschule in Burgau näher ansehen.
Die Menschen der heutigen Zeit glauben immer, dass alle schulischen Einrichtungen und Errungenschaften Ergebnisse der Moderne wären.

Dies ist bei Weitem nicht der Fall. Die Vorläufer der heutigen Berufsschulen waren die Sonn- und Feiertagsschulen, wie auch etwas später die gewerbliche Fortbildungsschule.
Man lese und staune, dass im bayerischen Schulpatent von 1774 bereits festgehalten war, dass für die Entlassenen der Werktagsschule (Volksschule) bis zur Erreichung des 20. Lebensjahres der Besuch der sonntäglichen Wiederholungsstunden nach dem nachmittägigen Gottesdienst Pflicht sei.
Es galt auch in Burgau nach einer weiteren Verordnung vom 12.09.1803, dass solche Sonn- und Feiertagsschulen zu errichten seien und in dieselben alle Handwerksgesellen, alle Lehrjungen und alle jungen Leute männlichen wie weiblichen Geschlechts aufzunehmen sind.
Interessant ist hier zu lesen, dass die Lehrjungen nicht freigesprochen werden konnten, wenn sie nicht durch ein Zeugnis des Pfarrers oder Inspektors nachwiesen eine solche Schule besucht zu haben. Im Dekret von 1803 stand, dass sowohl Mädchen wie Buben zwischen dem 12. und 18. Lebensjahr zum Besuch solch einer Schule anzuhalten sind.
Ferner stand auch in dieser Verordnung, dass junge Menschen weder ein Anwesen übernehmen, sich noch verehelichen können, wenn sie nicht so eine Schule besucht und den Besuch auch nachweisen konnten.
Die Verordnungen, die Sonn- und Feiertagsschule betreffend, änderten sich im 19. Jahrhundert häufig, so besagt die Schulpflichtverordnung von 1856, dass die Schulpflicht für die Feiertagsschule für beiderlei Geschlechts bis zum vollendeten 16. Lebensjahr besteht.

Was wurde in diesen Sonn- und Feiertagsschulen gelehrt?
"Lesen, Schreiben, rechnen und andere nützliche Kenntnisse, um immer brauchbarer und nützlicher, Religion und Moral, um immer christlicher, besser und Gott gefälliger zu werden."

Der Unterricht wurde nach Geschlechtern getrennt gehalten, für die Knaben am Sonntagvormittag und für Mädchen am Nachmittag.
Nach der ersten Schulteilung in Burgau übernahm der "Chorregent" die Mädchen, der Lehrer die Knabenabteilung.
Das Schuljahr endete mit einer Prüfung.
Die Prüfung  bestand im Schuljahr 1871/72 in:
• Lesen in der Kirchengeschichte
• Einen Aufsatz zu schreiben über wahlweise folgende Themen:
  Wert der Eisenbahnen
  Der Telegraph
  Einen Brief zu schreiben, in dem man um ein Darlehen zu    einem Geschäftsbetriebe nachsucht
• Rechnen, beinhaltete Aufgaben der Addition mit Dezimalbrüchen und die Anwendungen der neuen Masse und Gewichte, so wie Subtraktionen und Multiplikationen

Nach langem Hin und Her, von 1862 bis 1906, zwischen dem Bezirksamt und dem Stadtmagistrat Burgau wurde dann auch1906 in Burgau eine gewerbliche Fortbildungsschule installiert.
Diese neue Einrichtung mussten alle in der Stadtgemeinde wohnhaften Handlungslehrlinge und Gehilfen, Gewerbelehrlinge, Gesellen, Gehilfen, Fabrikarbeiter, überhaupt alle, die Arbeiter im Sinne der Gewerbeordnung für das Deutsche Reiche von 26.7.1900 sind, verpflichtend  besuchen. Diese Verpflichtung begann mit der Entlassung aus der Werktagsschule und endete mit der Entlassungsprüfung der Fortbildungsschule desjenigen Jahres, in welchem der Schüler das 16. Lebensjahr vollendete.
Zudem hieß es, dass die gewerbliche Fortbildungsschule eine Gemeindeanstalt sei und ihr Besuch obligatorisch und befreit, unbeschadet der Verpflichtung des öffentlichen Religionsunterrichtes (Christenlehre), von dem Besuch der Sonntagsschule. Für heutige Menschen übersetzt, wurde  in dieser Verordnung festgelegt, dass aber alle jungen Menschen trotzdem bis zur Vollendung ihres 16. Lebensjahres am Sonntagnachmittag am Religionsunterricht teilzunehmen hatten.
Ferner stand in der Schulordnung, dass derjenige der die Entlassungsprüfung nicht mit entsprechendem Erfolg besteht, zum weiteren Besuch der Fortbildungsschule auf eine im Voraus zu bestimmende Zeit, längstens aber auf die Dauer eines Schuljahres angehalten werden kann.

Bereits hier wurde schon ein Passus mit aufgenommen, der bis zum heutigen Tag Gültigkeit hat, nämlich der, dass die Eltern, Pflegeeltern und Vormünder, Dienst- und Lehrherrn, sowie Arbeitgeber verpflichtet sind, die für den Besuch des Unterrichtes in der gewerblichen Fortbildungsschule erforderliche Zeit zu gewähren.

Es wurden wöchentlich jeweils am Sonntag, Montag und Freitag sechs Stunden angesetzt, sowohl in der Winterzeit (1. November bis 31. März) als auch in der Sommerzeit (1. April bis 31. Oktober).
Unterricht wurde in folgenden Fächern erteilt:
Deutsche Sprache, Rechnen, Geographie, Geschichte, Naturkunde, Buchführung und Wechsellehre, Zeichnen, Lebens- und Bürgerkunde wie auch Gewerbekunde.

Wie Sie sehen eine bereits sehr moderne Verordnung.
Wie die Entwicklung der gewerblichen Fortbildungsschule in Burgau im 20. Jahrhundert weiter geht, lesen Sie im nächsten Jahr, denn die in diesem Artikel zitierte Schulchronik bietet erfreulicherweise noch sehr viel Stoff für weitere Beiträge über Burgaus Schulwesen und seine Lehrer.

 
Diplom der Gewerbeschule Wangen, von Karl Miller aus Burgau


Quellen: "Geschichte der Volksschule Burgau", von Norbert Schuster 1943, fortgeführt von Luise Haltmayer 1981
Bilder: Fam. Michael Miller, Burgau
Text: Irmgard Gruber-Egle, Historischer Verein Burgau Stadt und Land e. V.
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