Der Historische Verein Burgau Stadt und Land e.V. bekam vor ungefähr 3 Jahren von der Familie Baur (Nachfahren von Gretl und Anton Baur) eine kleine, aber sehr feine Krippe geschenkt.
Wie sich nun nach etlichen Recherchen herausstellte, handelt es sich bei dem Krippenaufbau um ein Werk des Burgauers Anton Haisch, die Figuren sind wohl Wiegel Figuren (können aber auch von einem anderen Krippenfigurenschnitzer um die Zeit zwischen 1890 und 1920 sein) Sie wurden noch einmal von Gretl oder auch Anton Baur selbst bemalt oder gefasst. Da die Figuren bereits 30 bis 40 Jahre alt waren, als die Familie Baur sie erhielten, waren die Farben bestimmt schon sehr abgegriffen und verblasst. Die ursprünglichen Farben zum Fassen, die die Wiegels und auch andre Schnitzer ihrer Zeit verwendeten, waren keine hochwertigen Farben und gingen ab oder verblassten. Was man aber an den kleinen Krippenfiguren noch gut zu erkennen ist, dass sie mit kräftigen Farben ursprünglich, wie auch später, bemalt wurden. Diese kräftigen Farben waren eigentlich ein  „Markenzeichen“ der geschnitzten Wiegelfiguren, besonders bei denen von Josef Wiegel.

 
Krippe der Fam. Baur

Da es sich bei allen Genannten um Burgauer Persönlichkeiten handelt, möchten wir gerne ein wenig näher auf diese Männer eingehen.

Im schwäbischen Krippenparadies wird Anton Haisch (1881–1959) zu Recht als einer der besten Krippenbauer seiner Zeit genannt; und wenn der Heiligabend nahte, überließ er die Backstube seinen Angehörigen und baute in der Stadtpfarrkirche die große Barock-Krippe auf. Auch im öffentlichen Leben der Stadt hat sich der Bäckermeister Anton Haisch  große Verdienste erworben: Er war von 1922 bis 1933 Erster Bürgermeister, viele Jahre Kreisbrandinspektor und Organisator des Burgauer Fasnachtszuges. Die Stadt hat ihm für dieses vielfältige Engagement 1951 - zu seinem 70. Geburtstag - die Silberne Bürgermedaille verliehen und nach ihm eine Straße benannt. So war er auch seit 1952 der Initiator des Pfingsttreffens nach dem Zweiten Weltkrieg und dann auch jahrelang der Vorsitzende des damaligen Pfingstkomitees.
Seine Krippenbauten (Krippenberg oder Stall) haben alle seine besondere Handschrift und werden heute noch von „Kripplern“ sofort erkannt. Er hatte damals einfach einen Teil seiner Bäckerei in eine Krippenwerkstatt umgewandelt. Seine Ställe sind meistens aus Korkrinde und die Krippenberge aus Rinde kaschiert. Seine eigene Krippe mit Wiedemann-Figuren (Wiedemann stammte aus Wattenweiler) zählt zu den schönsten Krippen Burgaus. Diese Krippe befindet sich heute im Besitz seines Enkels.

 
Anton Haisch (1881-1959)

Wenn man in den Burgauer „Krippenkreisen“ von Wiegel spricht, so spricht man zuerst von dem in Burgau geborenen Matthias Wiegel und dann von seinen Söhnen Josef (25.11.1845-15.05.1918) und dem jüngeren Bruder Hans (1855-1925), beide auch in Burgau geboren. Josef Wiegel übersiedelte um 1870 nach Augsburg.
Hier muss eingefügt werden, dass ein von Anton Haisch umgestalteter Stall und mit bekleideten Wiegel Figuren (mit Tonköpfen) bestückt, jährlich als Krippe in der Burgauer Loreto-Kapelle zu sehen ist.
In Burgau war es Hans Wiegel, der Bruder des nach Augsburg verzogenen Schnitzers Josef Wiegel, der dann in den letzten Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg hauptsächlich „Bachene“ schuf. Er verkaufte sie regelmäßig auf dem Ichenhausener Krippenmarkt. Von Hans Wiegel sind Model für seine „Bachene“ erhalten, die im Burgauer Heimatmuseum aufbewahrt werden.
Viele Jahre galten diese „Bachenen“ als zu einfach, naiv und schon gar nicht als besonders hervorzuhebende Volkskunst. Man muss sagen, Gott sei Dank hat der Krumbacher Heimatverein den Wert dieser Kunst erkannt und wieder aufleben lassen.
Auch wenn Josef Wiegel bereits um 1870 nach Augsburg verzog muss aber immer wieder auf die besondere Begabung des Maurers Josef Wiegel eingegangen werden, denn besonders im Landkreis Günzburg werden seine Krippen und Krippenfiguren heute noch hoch gehandelt.


Krippe Fam. Baur

Es waren wohl der Vater Matthias, wie auch sein Bruder Hans, Maurer. Aber alle drei schnitzten gerne in der späten Herbst- und Winterzeit, wenn die Maurerei eingestellt wurde, begannen die Wiegels zu schnitzen. Vater Matthias schuf bereits auch schon Krippenfiguren und Bruder Hans schnitzte die Formen (Model) für seine „bachenen“ Figuren.
Josef Wiegel aber war ein Schnitzer par excellence, er fertigte extrem kleine und detailgetreue Figuren und gerade in dieser Kleinheit lag seine Meisterschaft im Schnitt, den Bewegungsformen und in der Ausdruckskraft.
Als er von Burgau nach Augsburg umzog, denn dort scheint er das ganze Jahr dann geschnitzt zu haben, wurden seine zweite Frau und die sechs verbliebenen Kinder von 22, in den Schaffensprozess eingespannt. Er wurde im Augsburger Adressbuch zuerst auch als Maurer und Schnitzer aufgeführt, später aber dann nur noch als Schnitzer.
Josef Wiegel konnte immerhin vor dem Ersten Weltkrieg zwei Mark für eine Figur verlangen!
Die einfachen, gebrannten Tonfiguren gab es bereits zwischen 10 und 20 Pfennig das Stück. Im Übrigen schuf Josef Wiegel auch Model für die Tonfiguren.
Eine wunderbare Wiegel-Krippe, Berg, vierzig Figuren und siebzig Schafe kostete bereits 1870          25 Gulden. Dies entspricht heute etwa  300 Euro. Für 1 Gulden bekam man 10 kg Brot. Diese Krippe befindet sich bis heute im Familienbesitz in Krumbach.
Wiegel Krippen und vor allen Dingen „Bachene“ und geschnitzte Krippenfiguren finden wir immer wieder, nicht nur bei uns in der Region, sondern auch im Raum Augsburg.

Anton Baur wurde am 16.8.1899 als fünfter Sohn der katholischen Eisenbahn-Oberportierseheleute Alois und Maria Baur, geb. Fritz, in München geboren. Einen Teil seiner Schulzeit verbrachte er in Nürnberg und den anderen Teil in Burgau/Schwaben.
Im Jahr 1943 zog die kleine Familie, entnervt von den Kriegszuständen in München, ins Elternhaus von Anton Baur in die Kochgasse 403 nach Burgau. Im Jahre 1949 bauten sich die Eheleute Baur dann am Stadtrand von Burgau, am Herrenweg 5, ein neues Haus und übersiedelten 1950 mit ihrem Sohn dorthin.

 
Gretl und Anton Baur 1954 – Silberne Hochzeit

Anton Baur war, mit Ausnahme des Wirtschaftsverbandes der bildenden Künste vor dem Zweiten Weltkrieg, nicht organisiert. Aber seine politische Anschauung und Zielrichtung war seit seiner frühesten Jugend der SPD zugewandt. Und weil er eben als Antifaschist und Sozialist bekannt war, baten ihn alte sozialdemokratische Genossen 1945 mit ihnen die neue SPD in Burgau und im Landkreis wiederaufzubauen.

Anton Baur gehörte ab 1946 bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1956 für die SPD dem Kreistag in Günzburg und dem Stadtrat von Burgau an. Er führte den  SPD Ortsverein, war Kreisvorsitzender seiner Partei und stellvertretender Landrat sowie zweiter Bürgermeister während seiner politischen Zeit in diesen ersten Nachkriegsjahren. Zudem wirkte er aktiv bei vielen Vereinen, Organisationen und Körperschaften mit, so beim VdK, dem Verband der Heimkehrer und der Arbeiterwohlfahrt.
Als Vorsitzender des Wohnungsamtes war er mit der bitteren Not der Bevölkerung in der Nachkriegszeit unmittelbar konfrontiert. Da ihm aber  auch besonders die Jugend am Herzen lag, war er viele Jahre stellvertretender Vorsitzender des Berufsschulverbandes Burgau. Deshalb sind der Aufbau und Neubau der Volks- und Berufsschule Burgau, die Errichtung der Mittelschule untrennbar mit dem Engagement Anton Baurs verbunden.
So trieb er auch die Wiederöffnung des Amtsgerichts in Burgau und die Umgestaltung des Barackenlagers zur Heimstättensiedlung in vorderster Front voran, und war ein großer Befürworter der Ansiedlung von Handwerk und Industrie.
Kurz nach seinem 57. Geburtstag verstarb Anton Baur am 26.8.1956 und fand in Burgau seine letzte Ruhestätte. Das Grab der Familie Baur finden Sie heute noch auf dem Burgauer Friedhof.

Diese kleine feine Krippe findet nun ihre neue Heimat im Archiv des Historischen Vereins Burgau Stadt und Land e.V. im Blockhausturm, unmittelbar in der Nähe wo es einst entstand, in der Backstube von Anton Haisch, heute Schuhhaus Ehmann.

 
Bäckerei Haisch heute Schuhhaus Ehmann

 
Stadtturm, Archiv und Standort der Krippe




Der Historische Verein wünscht ein ausgeglichenes, hoffnungsvolles, glückliches aber vor allen Dingen gesegnetes Weihnachtsfest mit all Ihren Lieben!
Wir wüschen Ihnen aber auch ein Gutes, Friedlicheres, Gesegnetes und Gesundes Neues Jahr 2023!

Wir laden Sie herzlich ein diese kleine Krippe und unseren Turm in einer Gruppe von 5 Personen zu besuchen. Melden Sie sich an bei Hist. Verein Burgau 08222-1307.


Quellen: „Historisches Burgau“, Hist. Verein Burgau Stadt und Land e.V.
2014,“ Krippen aus dem Schwäbischen Krippenparadies (Teil 2)“
2006,“Das schwäbische Krippenparadies im Landkreis Günzburg“, 1983.

Bilder: Archiv des Historischen Vereins Burgau Stadt und Land e.V.


Irmgard Gruber-Egle Historischer
Verein Burgau Stadt und Land e. V.
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