Ich finde, dass unsere schwäbischen Lebensweisheiten bei Weitem den Nagel besser auf den Kopf treffen, als alle Sprichwörter in Hochdeutsch.
Dann graben wir doch heute wieder ein paar von unseren wunderbaren Lebensweisheiten aus!

Wenn eine Runde so beisammen saß, heute würde man sagen am Stammtisch und das Bier schmeckte extrem gut, zudem wurde auch viel getrunken, so meint dann der Burgauer:

Mei heit lauft’s wieder nei, wia Polizei in d‘ Häuser!

Wenn die Männer dann nach Hause kamen und ein größeres Donnerwetter über sie hereinbrach, konnte man bestimmt sagen:

Der guggat wia Schwälble, wenn’s blizgat!

Wir können uns trotz all der Krisen bestimmt immer noch nicht vorstellen, dass der Genuss von Brot und gerade frischem Brot in früheren Zeiten die Menschen dazu animierte ganz schnell und heimlich sich eine Scheibe Brot zu organisieren. So ein Laib Brot sah dann nicht ganz so appetitlich aus und man konnte feststellen:

D’r Ebee ond d’r U’ebee hand mitanand da Laib g’fressa!

Es gab auch früher Menschen die entweder nicht viel aßen oder auch nicht genügend zu essen hatten. Gab es aber eine Gelegenheit zu essen und sie zierten sich, so empfahl man ihnen:

Iß ebbes, damit was wersch, nix bisch sowieso!

Kennen Sie auch Mitbürger, wen die erzählen, haben sie nur gearbeitet und schwer gearbeitet, alle mit ihrem Fleiß übertroffen. Da gibt es dann schwäbisch einen ganz kurzen Kommentar:

Mei God,dia hand scha d‘ Weld a’grissa!

Und wenn solche Menschen einen mit ihrer Selbstüberschätzung und ihrer Großspurigkeit nicht in Ruhe lassen, hilft es einfach zu sagen:

Dei dumms G‘schwätz gad mer gega d’Hutschnur!

Der Burgauer, eigentlich alle Schwaben unserer Gegend, sind nicht immer so gesprächig wenn es um Gefühle geht. Dazu gehört auch Mitleid auszudrücken. Aber es gibt einen kleinen Satz, der Bände spricht:

Des daulat me aber scha‘!

Um aber Schwierigkeiten zu entschärfen, empfahlen vor allem Frauen ihrer Familie:

So lang ma‘ mitanand schwätzt, macht ma‘ nix hee!

Besonders gut gefällt mir folgende Lebensweisheit. Sie eignet sich besonders für Prahler, Männer die mit ihrer Anziehungskraft und ihrer Männlichkeit ein wenig übertreiben. Hier pflegte meine Großmutter zu sagen:

Ja gell, z’schert war et viel ond nau hads no ganz stark nauch glau‘!

Heute drehen sich in unserem Beitrag viele unserer schwäbischen Weisheiten ums Sprechen miteinander, übereinander und einfach so. Und da gibt es Mitmenschen die erzählen einem zum hundertsten Mal immer das gleiche, irgendwann ist es zu viel. Der Kommentar dazu ist folgender:

Ewig ond drei Däg verzälsch mer da gleicha Mischt!

Bei solchen Menschen passt auch der folgende Kommentar:

A‘ Ries nauf ond a Ries na, immer s‘ gleiche G’schwätz!

Mitmenschen die immer fragen, was und wie soll ich dies oder das machen, können sehr anstrengend werden. Hier meinte meine Großmutter:

Wer lang fraugat, gat lang irr!

Da wir heute schon bei Gefühlen waren und lasen wie diese schwäbisch interpretiert werden, musste ich immer schmunzeln, wenn meine ältere Verwandtschaft zwei Menschen beurteilte die Hand in Hand liefen:

A‘, dau isch oiner blend, weil man führa muas!

Oder wenn ein Paar, aber auch sehr enge Freunde immer zusammen waren, war das dem Schwaben etwas suspekt und es fiel folgender Kommentar:

I‘ glaub, dia saufat ananand!

Gut gefällt mir auch die folgende Weisheit, weil sie sehr feinsinnig ist und mit wenig Worten viel aussagt:

Komm b‘schands ei, i’ hilf d’r nauche leigna!

Überraschungen wurden oft kommentarlos hingenommen, auch unangenehme Ereignisse, fast kleine Katastrophen wurden zuerst nicht besprochen, man wusste aber wenn einer sagte,

Guad Nacht um sechsa ond Son‘ donda,

dass etwas durchaus auch Schlimmes passiert war.

Und wie gewohnt ein neues Burgamer G’schichtle:

Da in Burgau viele Jahre ein Amtsgericht untergebracht war, gab es auch sogenannte Oberamtsratswitwen. So eine lebte etwas 1910 nicht weit entfernt vom damaligen Amtsgericht und heutigen Rathaus. Frau „Rat“ hatte auch ein „Mädchen“ für ihren Haushalt. Diese junge Frau war aus Winterbach und kam jeden Tag mit dem Fahrrad nach Burgau.
Frau Rat wollte eines Tages mit dem ersten Zug um 6 Uhr nach München zu ihrer Verwandtschaft fahren.
Das Mädchen konnte aber um fünf Uhr früh morgens noch nicht in Burgau sein um Frau Rat beim Anziehen behilflich zu sein, da sie in den Stall zum Kühe melken musste. Die beiden Frauen rätselten wie man das mit dem Frisieren, Anziehen und Zurechtmachen der Frau Rat am besten hinbekommen könnte. Das Taxi, der „Schmid Hans“ war schon bestellt um Frau Rat am nächsten Morgen rechtzeitig auf den Bahnhof zu bringen.
Alleine war aber Frau Rat nicht in der Lage sich zu „stylen“, zu richten, deshalb schlug dann ihr treues Hausmädchen am Abend, so gegen 18 Uhr vor, bevor sie nach Winterbach heimfuhr, „Wissat Frau Rat, dann schleif i Ehna scho jetzt ei!“ Gesagt, getan, Frau Rat wurde frisiert, angezogen, der Hut mit der Hutnadel an der Frisur befestigt und sie wurde von ihrer „Perle“ in den Ohrensessel in der guten Stube gesetzt und verbrachte dort die Nacht, bis dann  am nächsten Tag in der Früh ihr Taxi kam und sie auf den Bahnhof brachte. Sie brauchte nur noch in den Mantel zu schlüpfen! So einfach kann es sein!!!

Burgau - Tellerstraße um 1900

Burgau - um 1910

 

 

Burgau - Kirchplatz 1920
handcoloriert

 

 

Luftbildaufnahme um 1970
Bildvordergrund des "Hintere Feldle"

 

 

 

 

Irmgard Gruber-Egle
Historischer Verein Burgau Stadt und Land e. V.
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Postkarten: Jürgen Pommer, Burgau