Versuch einer nachhaltigen „Beerdigungsrevolution“ durch Kaiser Joseph II. im Habsburger Reich.

Zum 1.4.2021 ist eine neue Bestattungsverordnung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege in Kraft getreten. Unter anderem können Städte und Gemeinden jetzt Erdbestattungen in einem Leichentuch ohne Sarg zulassen. In der Markgrafschaft Burgau, im ehemaligen Vorderösterreich, wurde eine ähnliche Verordnung bereits 1784 zumindest formal auf den Weg gebracht. Der Sohn von Maria Theresia, Kaiser Joseph II., versuchte teils gewagte Reformen im Sinn des aufgeklärten Absolutismus durchzusetzen. Einzelne Maßnahmen, wie die Abschaffung von Wallfahrten im Habsburgerreich, denen unter anderem die beliebte Wallfahrtskirche Maria Königin Bild in Limbach zum Opfer fiel, riefen in der Bevölkerung großen Unmut hervor.

Der Feiern und Pomp abgeneigte Joseph II. wollte auch den Aufwand bei Beerdigungen in seinem Reich, insbesondere den jährlichen Verbrauch von zigtausend Tonnen Holz für Särge, drastisch reduzieren. Am 23. August 1784 erließ er für das Habsburgerreich per Dekret eine neue Beerdigungsverordnung. Da die „Eingrabung der Leichen in Todtentruhen…“ die Verwesung verzögere, sollten künftig alle Verstorbenen unbekleidet in Leinensäcken beigesetzt werden. Als Zugeständnis an praktischen Verlauf und Pietät durfte der Verstorbene für die Überführung und den Gang zum Grab in einem Sarg transportiert werden. Um die Akzeptanz zu fördern ordnete Joseph II. die kostenfreie Bereitstellung von Särgen mit aufklappbarem Boden durch die Pfarreien/Gemeinden an. Nach der Aussegnung am Grab wurde bei diesen wiederverwendbaren Klappsärgen über einen Mechanismus der Boden geöffnet und der Verstorbene glitt in seinem Leichentuch in die Tiefe. Die Bevölkerung der Stammlande verspottete den wiederverwendbaren Gemeindeklappsarg bald als „Sparsarg“. Im Museum am Wiener Zentralfriedhof und im Diözesanmuseum St. Pölten sind Originalexemplare ausgestellt.

Für die ärmere Bevölkerung machte die Kostenersparnis bei Beerdigungen durchaus Sinn. Die entscheidenden Gruppen wie Adel, gehobenes Bürgertum und Kirche, vor allem in Wien, wollten die Abschaffung der „schönen Leich“ nicht tolerieren. Eine Anordnung vom Winter 1784 mit folgender Einleitung: „Sollte sich aus Gelegenheit der neuen Beerdigungsverordnung ein Tumult, Auflauf oder eine gewalttätige Widersetzung ereignen…“ spricht Bände. Bereits Anfang 1785 ruderte Joseph II. mit der verpflichtenden Durchführung seines Dekrets wieder zurück. Die Regierung für ganz Vorderösterreich war seit 1752 in Freiburg/Breisgau. Sie erließ für die Vorlande am 9. September 1784 ein gering modifiziertes Zirkular des Dekrets von Kaiser Josef II.  Die vorderösterreichischen Enklaven bis zur Iller lagen im ehemaligen Bistum Konstanz.  Der Konstanzer Geistliche Rat riet dem Bischof im Oktober 1784 dagegen Protest einzulegen. In den vorderösterreichischen Pfarreien des Bistums wurde es offensichtlich teilweise umgesetzt. In den Museen der Stadt Bad Saulgau und in Herznach/Fricktal (Aargau) finden sich „Josephinische Klappsärge“.

Die Markgrafschaft Burgau lag im Bereich des Bistums Augsburg. Im Bistumsarchiv Augsburg liegt das Zirkular der Freiburger Regierung vom 9. September 1784 bei den Akten von Bischof Wenceslaus, ohne Begleitschreiben oder Kommentierung.  Es dürfte in der Markgrafschaft Burgau bis zur Aufhebung in 1785 wohl nicht zur Anwendung gekommen sein.
Heute würde das Dekret von Kaiser Joseph II. als fortschrittlich und nachhaltig eingestuft werden. Die Stadt Kempten z.B. hat die neue bayerische Bestattungsverordnung mit der Möglichkeit der Beerdigung ohne Sarg kürzlich eingeführt. Dies kommt vor allem der muslimischen Bevölkerungsgruppe (alleine über 2200 türkischstämmige Bürger) zugute. Für diese ist aus religiösen Gründen eine Beerdigung ohne Sarg vorgeschrieben. Dies wird den kostspieligen und umweltunfreundlichen Beerdigungstourismus in die Türkei reduzieren und auch dem, wegen der Urnengräber, chronisch defizitären Friedhof zugutekommen. Eine Leichenverbrennung ist bei Muslimen aus Glaubensgründen nicht möglich.
In Deutschland sind im Jahr 2021 erstmals über 1 Million Bürger verstorben. Angesichts der aktuellen Energiekrise und Klimaproblematik sind die ca. 750.000 Leichenverbrennungen (2021) gegenüber der Beerdigung ohne Sarg ökologisch bedenklich. Neben mehreren Millionen Kubikmetern Gas und hohem Stromverbrauch wurden ca. 35.000 - 40.000 t Holz (Särge) durch die Schornsteine der ca. 160 Krematorien mit riesigem CO2 Ausstoß geblasen. Allein mit dem Sargholz könnten unzählige Wohnungen beheizt werden. Die „Bundesarbeitsgemeinschaft der Krematorien in Deutschland“ hat sich im Frühjahr angesichts ihres enormen Gasbedarfs mit einem Brandbrief (im wahrsten Sinne des Wortes) an das Wirtschaftsministerium gewandt. Darin wurde vor einem Zusammenbruch der Feuerbestattung gewarnt. Die Krematorieninhaber, darunter viele Kommunen, können sich nun zufrieden zurücklehnen. Sie wurden wie Altenheime, Krankenhäuser etc. als systemrelevant für den Gasbezug eingestuft. Der Wirtschaftsminister hat so dafür gesorgt, dass den über die Wintermonate in der Wohnung fröstelnden Bürgern wenigstens nach dem Tod nochmals ordentlich eingeheizt wird.

 

[1] siehe Burgau aktuell Doppelausgabe Nr. 114/115 April/Mai 2020, S. 24.
[2] Bistumsarchiv Freiburg, Generalia Bistum Konstanz, Sig. A1/320, 9. September 1784.
[3] Das Bistum Konstanz wurde mit der Papstbulle vom 16. August 1821 aufgelöst.
[4] Bistumsarchiv Augsburg, Akt BO 90, Bischof Klemens Wenceslaus, 9. September 1784.

 

 

 

Das Bild des Klappsarges aus Bad Saulgau wird mit Genehmigung des dortigen Museums veröffentlicht.
Die beiden anderen Bilder sind nach Wikimedia/Wikipedia gemeinfrei.

 

 

 

Dr. Philipp Jedelhauser      
Historischer Verein Burgau Stadt und Land e.V.
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