Kaum Ferien, schon wieder Schulanfang. Aber immerhin hatten unsere Kinder in Bayern heuer einmal einen Sommer, wie aus dem Bilderbuch. Sie konnten ausgiebig zum Schwimmen gehen, sich einfach im Freien aufhalten und hoffentlich Kind sein.

Auch in diesem September dürfen wir Ihnen aus der schon sehr häufig zitierten Schulchronik Burgaus, diese wurde sehr genau und differenziert von Norbert Schuster jun. und Luise Haltmayer angefertigt, einige sehr interessante Dinge erzählen.

Trennung von Kirche und Staat und die Entwicklung der Volksschule in Burgau nach 1935

Die Trennung der Schüler nach Geschlechter  war mitunter ein Hauptanliegen der Kirchen. Denn die katholische Kirche, die besonders in Bayern noch bis 1933  großen Einfluss auf den Lehrplan, wie auch auf die Lehrer*innenausbildung hatte, war der Meinung, dass die Erziehung von Mädchen anders zu gestalten sei. Die Kirche plädierte dafür, dass die Mädchen in Mädchenschulen erzogen werden, da das Wesen des Mädchens von mehr Gemüt, aber das des Knaben von mehr Verstand geprägt sei.
Die Unterrichtung von Mädchen sollte auch nach Möglichkeit von einer weiblichen Person, am besten von einer Klosterfrau erfolgen, weil diese die Erziehung der weiblichen Kinder zur Mutter, Ehefrau und für die Familie besser ausführen und vermitteln könne. So die Meinung der katholischen Kirche, festgehalten in mehreren Aufsätzen von Geistlichen zwischen 1863 und noch 1915. Zu diesen eigentlich eher „frauenfeindlichen“ Ausführungen sahen sich die „Hochwürden“ veranlasst, weil nach 1872 insbesondere in Preußen anderweitige Tendenzen permanent diskutiert wurden. Zum Beispiel die Abschaffung der geistlichen Schulaufsicht, andererseits die universitäre Ausbildung von Volksschullehrern*innen und auch die Gemeinschaftsschulen (gemeinsamer Unterricht von Mädchen und Knaben).
Noch 1867 war ein Vorstoß des liberalen Kultusministers Gresser in Bayern, der die geistliche Schulaufsicht außerhalb des Religionsunterrichts beseitigt hätte, an der Ablehnung in der ersten Parlamentskammer, dem Reichsrat, gescheitert.
1876 wurde der katholische Religionsunterrichtin Preußen primär der staatlichen Schulverantwortung unterstellt
Die organisch verbundenen Kirchen- und Schulämter blieben somit bestehen. Nur diese Ämterverbindung bewahrte noch einen formellen, über ein kirchliches Amt vermittelten Einfluss der Kirche.
In Bayern war diese Ämterverbindung an der Tagesordnung und während der Weimarer Republik schaffte Franz Matt, in Bayern, die von seinem Vorgänger Johannes Hoffmann strikt eingeführten Reformen, nämlich die Trennung von Staat und Kirche in der Schulpolitik, wieder ab. Er betrieb die Rekonfessionalisierung des Schulwesens rigoros. Der Einfluss des örtlichen Geistlichen und Pfarrvorstands war wieder per Gesetz festgeschrieben bis 1933 zur Machtübernahme der Nationalsozialisten.
Wo die Inhaber kirchlicher Ämter noch über die Mitgliedschaft in kommunalen Schulaufsichtsgremien an der Schulaufsicht mitwirkten, endete dieser Rest an kirchlicher Beteiligung mit der Beseitigung aller kommunalen Schulaufsichtsgremien 1935. Die an ihre Stelle gesetzten Schulbeiräte hatten nur mehr beratende Funktion. 1938 wurden auch die verbliebenen organisch verbundenen Kirchen- und Schulämter aufgehoben.


Eine weitere einschneidende Maßnahme war die Trennung des Schul- und Chorregentendienstes vom Mesnerdienst. Denn bis 1864 war explizit in Burgau diese Aufgaben in einer Person gebündelt. Der Magistrat von Burgau und die Gemeindebevollmächtigten stimmten 1864 der vorgeschlagenen Teilung des Amtes zu und die Regierung gab dann am 8.10.1864 ihren Segen dazu.

So war Alois Eidt  der letzte in Burgau tätige Lehrer (bis 1862) der auch zugleich Mesner war.

Der ab 1863 tätige Friedrich Weber, wurde schon nur noch als Lehrer und Chorregent eingestellt. Weber war dem Kollegium der Gemeinde Bevollmächtigten zu fortschrittlich und nicht dienstbeflissen genug, der Kirche gegenüber, so dass er strafversetzt wurde.
An diesem Beispiel ist der übermächtige Einfluss der örtlichen Geistlichkeit und die Annahme, die Deutungshoheit für die Schulerziehung zu haben sehr deutlich von Norbert Schuster jun. in der Schulchronik herausgearbeitet.

 
Bild einer Knabenklasse rechts mit Norbert Schuster sen. (Strohhut) und links dem Burgauer Geistlichen, aufgenommen ca. 1912

Im Jahr 1919 kam dann Norbert Schuster jun. als Schulpraktikant nach Burgau und wurde am 1.8.1922 als Hilfslehrer angestellt. Schuster jun. wurde am 8. Mai 1898 in Gabelbach geboren. Er heiratete während des Krieges, am 2. Juni 1944, seine Kollegin Elisabeth Herter (1902-1971), die in Burgau ebenfalls als Lehrkraft tätig war. Das Ehepaar hatte keine Kinder.
Norbert Schuster jun. war wie sein Vater für Burgau und seine Heimatforschung wie ein „Sechser im Lotto“. Er verstarb am 16. Dezember 1976 im Alter von 78 Jahren und wurde im Familiengrab in Burgau beigesetzt.


 
Norbert Schuster jun. (1898 -1976)




Für Burgau bedeutete die in Berlin angestrebten Schulreformen keine nennenswerten Änderungen. Mädchen und Knaben wurden nach wie vor getrennt unterrichtet und die Bewertung des jeweiligen Stadtpfarrers hatte unter Umständen großen Einfluss auf die Zukunft des Schülers*in.
Ich erwähnte bereits im Heft Nr.131 von Burgau aktuell, Artikel „Schule einst und heute, Teil VII“, dass die Monoedukation (Erziehung getrennt nach Geschlechter) bei uns in Bayern erst 1960 offiziell abgeschafft wurde und der Einfluss der Kirche nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder enorm groß war.
Alle Geistlichen und auch die Klosterfrauen wurden vom Staat oder der Kommune für ihre Tätigkeiten bezahlt. Bei im Kloster tätigen Personen, bekam dieses Salär allerdings der Orden.
Viele Leser*innen können sich in Burgau an den katholischen Religionsunterricht durch den jeweiligen Stadtpfarrer, Benefiziat oder die jeweilige Katechetin erinnern und den großen Einfluss der in Burgau unterrichtenden Klosterfrauen des Franziskanerinnenordens.
Jeder hat an diesen Personenkreis seine eigenen Erinnerungen und das ist gut so.

In unserem nächsten Beitrag kommen wir auf die geänderten Schulvorschriften und Erziehungsziele der NS-Zeit, die auch in Burgau nicht spurlos vorbei gingen
Im kommenden Jahr, im September 2023, blicken wir dann auch wieder in die Burgauer Schulchronik , die noch viel Stoff für weitere Beiträge in sich birgt, in denen es heißt: Schule einst und heute.

Quellen: "Geschichte der Volksschule Burgau", von Norbert Schuster 1943, fortgeführt von Luise Haltmayer 1981
„Historisches Lexikon Bayern, Schulpolitik (Weimarer Republik)“, 2022
Bilder: Irmg. Gruber-Egle, Archiv Hist. Verein Burgau Stadt und Land e.V.

                                      

Text: Irmgard Gruber-Egle,                                           
Historischer Verein Burgau Stadt und Land e. V.
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