Ein Beitrag zu den Burgaus in ganz Europa
Burgau-Jena von Ute van Hengel aus Burgau-Jena

Wie, Sie kennen Burgau in Jena noch nicht ?!

Dann lade ich Sie jetzt ein, unser Burgau in Thüringen ein wenig kennen zu lernen.

Burgau ist ein an der Saale gelegener Stadtteil der kreisfreien Stadt Jena in Thüringen, südlich vom Zentrum beheimatet. Vor genau 100 Jahren (1922) wurde Burgau eingemeindet und ist heute ein „Dorf in der Großstadt Jena“ mit aktuell rund 600 Einwohnern. Gleichwohl bitte ich Sie nun zu einem kleinen virtuellen Bummel durch unser Burgau und vielleicht werden dabei noch paar ungenannte „Geheimnisse“ verraten. Treffen wir uns am Dorfbrunnen – egal an welchem der beiden, sie liegen ja direkt beieinander. Wir befinden uns hier mitten im historischen Ortskern auf der alten Hauptverkehrsstraße, der Geraer Straße. Um uns herum liegen die alten Höfe und Häuser, die viele Geschichten aus früherer Zeit und von ihren Bewohnern erzählen könnten.

Burgau ist im Jahr 2022 inzwischen 765 alt. Es wurde im Jahre 1257 zum ersten Mal erwähnt.

Doch sicher hat die Besiedlung hier in der Saaleaue noch viel früher begonnen, da es eine geeignete Stelle war, um den Fluss zu durch- und überqueren. Wohl um 1140 wurde hochwassersicher auf dem Sandsteinfelsen eine Burg gegründet, vermutlich von den Lobdeburgern, derer „von Bergowe“, wir wissen es nicht genau. Um 1305 werden jedenfalls ein Ort und eine Burg im wettinischen Besitz erwähnt, einem Herrschergeschlecht aus dem heutigen Sachsen. Nach dem Tode des Wettiners Wilhelm, ging der Besitz in den Besitz der Ernestiner über. Diese Herrschaft endete erst 1918, mit dem Ende des Kaiserreiches.
Aus der wettinischen  Zeit stammt das Wappen, das einen geflügelten Fisch beinhaltet, der wohl auf den damaligen Fischreichtum der Saale hinweist, und schauen Sie, auf dem Dach einer unserer  beiden Brunnen findet sich eben dieser Wappenfisch als Wetterfisch. Dieses Brunnenhaus wurde übrigens 2006-2007 auf Initiative des gerade gegründeten Ortsvereins wieder neu errichtet und ist nun der „neue“ Steinbrunnen neben seinem rund 130-jährigen Metall-Kollegen, der 1893  im Zuge der neuen Wasserleitung angelegt wurde.
Spazieren wir jetzt ein paar Schritte die Geraer Straße entlang – geben Sie Acht, die Straße ist holprig, doch wir Burgauer halten fest am alten Kopfsteinpflaster, das 2008 seinen 100. Geburtstag gefeiert hat. Seit ca. 1908 fuhren zwei Straßenbahnlinien durch Burgau und eine auch durch die Geraer Straße.

Geraer Straße
Die Häuser, die die Straße säumen sind zumeist 2-geschossig, teils giebel- oder traufständig und einige haben große gemauerte Toreinfahrten, die von ihrer Vergangenheit als Bauernhöfe zeugen. In der Nachwendezeit wurden die Häuser größtenteils renoviert und frisch gestrichen. Auf unserem Rundgang sind wir an der Dreifaltigkeits-Kirche angekommen. Vermutlich gab es in Burgau schon sehr früh ein Gotteshaus aus Stein, im Mittelalter katholisch wurde es in der Reformationszeit evangelisch-lutherisch. Nach seiner Zerstörung im 30-jährigen Krieg wurde es 1701-1703 auf den alten Grundmauern wieder aufgebaut. Auch Steine des Vorgängerbaus wurden verwendet für die neue größere barocke Kirche mit Langhaus und Kanzel-Altar unter dem Glockenturm. Ihr Stifter, Friedrich von Kospoth, ein Pächter des Burgauer Kammergutes, liegt heute noch in der (unzugänglichen) Gruft darunter begraben. Am 20.8.1867 wurde übrigens der berühmte Biologe Ernst Haeckel in dieser Kirche getraut.
Seit Ende der 1970er Jahre hatte sich der Kirchturm so stark geneigt, dass die Kirche 1992 gesperrt und die Turmhaube abgenommen werden musste. In den folgenden 30 Jahren wurde der Turm saniert und das Kirchenschiff von innen restauriert, so dass es nun wieder im ursprünglichen barocken Glanz erstrahlt. Aktuell wird die Poppe-Orgel (gebaut von Christian Friedrich Poppe 1796) restauriert und saniert und wir hoffen, dass sie demnächst die gute Akustik der Kirche wieder demonstrieren kann.

 

Dreifaltigkeits Kirche

Gehen wir jetzt nach links, leicht bergauf, führt uns der Weg an einer derzeit unschönen Abrissfläche vorbei. Hier stand einst das Alte Gut. Im Mittelalter war es ein Kammergut, das dazu diente, die Ernährung zu sichern und die fürstliche Haushaltskasse zu füllen. Es hat sich über die Jahrhunderte erhalten und der Gutsbetrieb wurde erst 1976, also vor rund 55 Jahren aufgegeben. Kurz drauf ist ein Jugend-Club in das Haupthaus eingezogen, vor 16 Jahren wurde die große Scheune abgerissen und vor 9 Jahren die restlichen Gebäude. Der derzeitige Eigentümer, die  Ernst-Abbe-Stiftung, will auf dem Gelände ein urbanes „Quartier“ für ca. 250 Neu-Burgauer errichten, Pläne die im Ort wegen ihrer dorfuntypischen Gebäude-Dimensionen heftigen Widerstand ausgelöst haben. Wir werden sehen … Wenden wir uns nun bei unserem Rundgang gen Westen, wieder Richtung Ortszentrum, wenden, können wir durch Straßen wie Brunnengasse, Schloßberggasse oder Am Burggraben gehen.  Die Namen zeugen von dem was ganz früher einmal war, nämlich die eingangs schon erwähnte Burgauer Burg.
Um 1450 während des Sächsischen Bruderkriegs wurde sie belagert, eingenommen zerstört und fiel 1468 an den sächsischen Kurfürsten. Sie wurde in verringertem Umfang schlossähnlich wieder aufgebaut und diente eher zu Repräsentationszwecken, allerdings ohne Schlossherrn und Glanz und Gloria. 1510 wurde es von den Söhnen des Kurfürsten verkauft, verfiel im Laufe der Jahre und wurde 1755 völlig abgetragen. Die Steine fanden sicherlich in den umliegenden Häusern eine neue Verwendung.
Auf dem Gelände errichte 1906-1910 der Architekt Professor Adolf Binder ein neues neoromanisches Gebäude, das „Binderburg“ genannt wird. In der Kriegs- und DDR-Zeit wurde es mehr und mehr vernachlässigt, bis sich 2003 ein neuer Burgherr seiner annahm. Er hat das Haus saniert und öffnet es bisweilen für Veranstaltungen, wo er dann auch gerne von den Vorgängerbauten erzählt und die Reste der alten Burg zeigt.

 
„Binderburg“
Wir gehen mit seiner Erlaubnis weiter über das Grundstück und blicken vom Felsen hinunter auf die Alte Burgauer Brücke über die Saale. Sie erlebte ein ähnliches wechselhaftes Schicksal wie die Burg.

1484 gab es an der Stelle zunächst eine Holzbrücke, die ein paar Jahre später (1491-1534) in eine Steinbogenbrücke umgewandelt wurde, bei deren Überquerung Geleitgelder und Zoll erhoben wurden. 100 Jahre danach, im 30-jährigen Krieg wurde sie 1637 durch die Schweden zerstört, ab 1706 erweitert wieder aufgebaut und 1744 in ihrem heutigen Aussehen  eingeweiht. Zum Ende des 2. Weltkriegs, am 1. 4. 1945, wurde sie erneut zerstört, gesprengt durch die deutsche Wehrmacht. Die 1946 errichtete provisorische Holzkonstruktion diente nur noch als Fußgänger-Brücke. Als in den 1970er Jahren weitere Brücken in der Nähe gebaut wurden, verfiel sie und wurde 1983 gesperrt. 10 Jahre später setzte sich der neu gegründete „Brücken-Verein“ dem drohenden Abriss entgegen und schaffte den Wiederaufbau der Alten Brücke, die am 3.10.2004 festlich eingeweiht wurde.

 

„Alte Burgauer Brücke“ über die Saale

Direkt neben der Brücke Am Wehr liegt ein Biergarten mit der Flößerstube, dem einzigen aktuell noch betriebenen gastronomischen Betrieb in Burgau. Im Sommer kann man dort unter den großen Bäumen ein lauschiges Plätzchen finden und manch fröhliches Fest wurde hier schon gefeiert, z.B. 2018 das Burgau-Treffen.
Der eigentliche Gasthof Burgau lag gegenüber, direkt unter dem Felsen auf dem wir hier stehen. Er gehörte in seinem Ursprung zu den ältesten Häusern von Burgau, bildete um 1600 einen Zugang zur Burg mit einem kleinen Torhaus und einer mittelalterlichen Bohlenscheune. Leider gibt es das alles nicht mehr. Doch ein berühmter Gast hat diesen beschaulichen Platz noch gekannt und geschätzt, Johann Wolfgang von Goethe. Geblieben ist uns sein Ausspruch von 1827: „Ich dächte, wir gingen nach Burgau. Wein haben wir bei uns, und dort finden wir auf jeden Fall einen guten Fisch, den man uns entweder sieden oder braten mag.“
Damit beenden wir unseren Rundgang durch Burgau, auch wenn längst nicht alle „Geheimnisse“ gelüftet wurden, noch viele Ereignisse in der Vergangenheit schlummern und Geschichten darauf warten erzählt zu werden.
Lassen wir zum Abschluss noch unseren Blick schweifen auf die gegenüber liegenden Höhen, die orchideen-bestandenen Muschelkalkhänge. Ja, nicht nur Burgau hat etwas zu bieten, auch seine Umgebung ist sehens- und durchaus eine Reise wert, und wer weiß, vielleicht schauen Sie sich alles einmal persönlich und ganz real an.

Quellen:

- vorwiegend die „Dorf-Chronik“  750 Jahre Burgau an der Saale, von Sieglinde Seibt und  Traugott Keßler, 2007,  
- Website Jena-Burgau.de

Bilder:
Ute van Hengel

                                    Historischer Verein Burgau
                                    Stadt und Land e.V. Bilder und Text sind urheberrechtlich geschützt, kopieren und vervielfältigen nur mit Genehmigung der Urheberin