Aufgrund der Pandemie wurde das Jubiläumsjahr "1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland", eröffnet 2021, im Mai 2022, mit einem Festakt abgeschlossen.
Wir haben in drei Beiträgen in Burgau aktuell das jüdische Leben explizit in Burgau und in verschiedenen Gemeinden in der Markgrafschaft Burgau  angeschaut. Mit diesem Beitrag werden wir unsere Betrachtungen  auf die jüdischen Gemeinden beenden, aber ein letzter Artikel befasst sich dann noch mit dem Thema KZ-Außenlager Burgau, in dem in den letzten Monaten vor Ende des Zweiten Weltkrieges jüdische Frauen interniert waren.


Grundlage aller Beiträge ist der Vortrag von unserem Vereinsmitglied Rudolf Saumweber, der anlässlich unserer Jahreshauptversammlung 2008, über das "Jüdische Leben in Burgau und in anderen Orten der Region", sprach.

Jüdische Gemeinden in der Markgrafschaft Burgau waren:
Burgau (vor 1348 bis ca. Ende des 30-jährigen Krieges), Neuburg/Kammel (1431 bis 1675), Günzburg (1434 bis 1618), Binswangen (1439 bis nach 1805), Hürben/Stadtteil von Krumbach (1504 bis nach 1805), Thannhausen (1510 bis 1717), Ichenhausen (1541 bis nach 1805), Buttenwiesen (1561 bis nach 1805), Pfersee (1569 bis nach 1805), Fischach (1750 bis nach 1805), Scheppach (bis zur Austreibung 1617 existierte ein jüdische Kultusgemeinde) und Haldenwang (im Mittelalter gab es hier eine jüdische Gemeinde mit Synagoge bis zur Austreibung 1617).

Thanhausen
Thannhausen ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 6.000 Einwohnern im schwäbischen Landkreis Günzburg.
In Thannhausen existierte bis ins beginnende 18.Jahrhundert eine zahlenmäßig relativ große jüdische Gemeinde, die dann innerhalb kürzester Zeit in Folge von Vertreibung durch die Reichsgrafschaft ihr Ende sah.
Vermutlich siedelten sich die ersten jüdischen Familien im oberschwäbischen Thannhausen Anfang des 16.Jahrhunderts an; weitere Zuzüge ließen die sich nun bildende Gemeinde relativ schnell anwachsen. Trotz der wechselnden Grundherrschaften konsolidierte sich die Gemeinde weiter; denn die Ortsherren begünstigten die Ansiedlung weiterer Familien, weil sich durch die Erhebung von Schutz- und Neujahrsgeldern, Synagogenabgaben und Sterbegeldern erhebliche zusätzliche Einnahmen erzielen ließen. Die Ausstellung von Schutzbriefen war in Thannhausen eher die Ausnahme; im Regelfall wurden Vergleiche und Rezesse geschlossen; zudem fanden sich judenrechtliche Bestimmungen in der allgemeinen Polizeiordnung des Dorfes.
Zu den gemeindlichen Einrichtungen zählte neben der Synagoge (am unteren Markt, erbaut 1627/28) ein bereits seit 1566/67 bestehendes Beerdigungsgelände, dessen Anlegung die Ortsherrschaft bewilligt hatte. Seitdem mussten verstorbene Thannhausener Juden nicht mehr auf dem israelitischen Friedhof in Burgau bzw. Kriegshaber begraben werden.
Die hiesigen jüdischen Handelsleute verkauften die Produkte der Thannhauser Handwerker auf den Märkten in Ulm und Augsburg, aber auch im ambulanten Handel im nahen Umland. In Thannhausen gab es auch eine jüdische Druckerei; das bekannteste Druckwerk ist das um 1592/1594 entstandene Machsor, das heute als einziges, noch erhaltenes Exemplar in der Bibliothek zu Oxford zu finden ist.

 
Machsor, gedruckt in Thannhausen (um 1590/1595)


In den beiden ersten Jahrzehnten des 17.Jahrhunderts zählte die Judengemeinde Thannhausens mit etwa 400 Angehörigen zu den größten und bedeutendsten in Schwaben. Dazu hatte auch die Vertreibung der jüdischen Familien aus Günzburg und Burgau 1617/1618 beigetragen. Der Ort war damals auch Sitz des Landesrabbinats.
1618 erließ der Kaiser ein Privileg, das den jüdischen Bewohnern in Thannhausen und anderen Orten der Region wie Hürben, Binswangen, Pfersee, Ichenhausen ein ungehindertes Wohnrecht einräumte; als Gegenleistung war die Zahlung eines jährliches „Opferpfennigs“ fällig.
Ein Beleg für die Bedeutung der Judengemeinde von Thannhausen war 1627/1628 der Neubau einer größeren Synagoge. Gegen den Bau hatte sich die katholische Ortsgeistlichkeit ausgesprochen, sich aber letztlich nicht durchsetzen können. Bis in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges gab es im Orte eine „Judenschuol“ und die „Juden-Studentenschuol“; die jüdische Volksschule befand sich in der alten Bachgasse gegenüber dem Kirchplatz und bestand bis 1718.
Die sich im Zuge des Dreißigjährigen Krieges ausbreitenden Seuchen und Hungersnöte erfassten auch den schwäbischen Raum, so auch den Markt Thannhausen, dessen Bevölkerung arg dezimiert wurde; besonders hart traf es die Juden, die wegen angeblicher Brunnenvergiftung von hier vertrieben wurden. Gegen Ende des 17.Jahrhunderts siedelten sich wieder einige jüdische Familien hier an; um 1710 sollen es etwa 20 Familien gewesen sein. Neben Pfandleihe und Kreditgeschäft lebte der größte Teil der Juden Thannhausens vom Kleinhandel mit Landesprodukten, Salz, Textilien u.a.; zusätzlich spielte der gewinnbringendere Viehhandel eine Rolle.
Als der Graf Philipp von Stadion 1706 die Reichsgrafschaft Thannhausen in Besitz nahm, lebten hier noch ca. 100 Juden. 1717/1718 wurden alle jüdischen Bewohner - auf Betreiben der Gräfin von Stadion - aus Thannhausen vertrieben; seitdem kam es hier nie wieder zu einer Ansiedlung von Juden. Das genaue Motiv der Vertreibung ist nicht bekannt: Ob die gräfliche Herrschaft oder die Bevölkerung die Vertreibung veranlassten, lässt sich auch aus den alten Ortschroniken nicht belegen. Sicher ist aber, dass zu Beginn des 18.Jahrhunderts eine judenfeindliche Stimmung im Ort herrschte.
In Dörfern und Flecken der Umgebung fanden die vertriebenen Thannhausener Juden Aufnahme, so u.a. in Ichenhausen, Altenstadt/Iller, Fellheim und Osterberg.
Die Synagoge in Thannhausen wurde 1720 abgerissen und an ihrer Stelle eine christliche Kapelle errichtet.
 Bis auf den heutigen Tag erinnern die Judengasse und die nördlich davon gelegene, auf den Grundmauern der Synagoge errichtete „Stadionkapelle“ - im Volksmund auch „Judenkapelle“ genannt - daran, dass der Ort einstmals Sitz einer jüdischen Gemeinde gewesen war.


 
Sog. „Judenkapelle“ in Thannhausen (Aufn. Karl Landherr)

Ein Opferstock aus Holz (um 1700) ist das letzte Relikt der einstigen jüdischen Gemeinde; dieser befindet sich noch heute am Eingang der Kapelle, Das christliche Bild und die Inschrift darauf wurden wohl aus der Zeit nach der Vertreibung der jüdischen Familien (1718) dort angebracht.

                   
Antiker Opferstock aus der Synagoge (Aufn. Karl Landherr Thannhausen)

Außer dem noch benutzten Flurnamen „Judenbegräbnis“ sind vom jüdischen Friedhof an der Straße nach Ziemetshausen keinerlei Spuren mehr sichtbar.
Die Familie Thannhauser, deren Wurzeln im schwäbisch-bayrischen Raum liegen, gehörte seit Beginn des 20. Jahrhunderts bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten zu den führenden Kunsthändlern Deutschlands. In der Münchener Galerie von Heinrich Thannhauser fand 1911/1912 die erste Ausstellung des Blauen Reiters statt. Zwei Jahre später konnte dessen Sohn Justin die bis dahin weltweit umfangreichste Ausstellung mit Werken Picassos eröffnen, die der Künstler selbst als Ausgangspunkt seines Weltruhmes bezeichnet hat. Legendär ist die 1930 in der Berliner Galerie gezeigte Matisse-Ausstellung, die mit ihren 265 Werken aus der Zeit von 1896 bis 1929 die bis heute weltweit umfangreichste Schau des Künstlers geblieben ist. In der NS-Zeit führte der Weg der Galerie über die Zwischenstation Paris schließlich nach New York.
 
Ichenhausen
Ichenhausen ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 8.500 Einwohnern im schwäbischen Landkreis Günzburg mit Sitz der gleichnamigen Verwaltungsgemeinschaft.
Die jüdische Gemeinde in Ichenhausen prägte lange Zeit maßgeblich den Marktflecken und verhalf diesem zu beachtlichem Wohlstand.
In der ersten Hälfte des 16.Jahrhunderts siedelten sich Juden erstmals in Ichenhausen an; es waren Familien, die aus Reichsstädten (z.B. Donauwörth) und Fürstentümern vertrieben worden waren und - gegen Zahlung von Sonderabgaben - Zuflucht in Dörfern und Märkten erhielten. Auch die Ortsherrschaft von Ichenhausen nahm aus finanziellen Erwägungen hier Juden auf; sie genossen zwar keine rechtliche Gleichstellung, konnten sich aber selbst verwalten. Als gegen Mitte des 17.Jahrhunderts die Herrschaft über Ichenhausen in eine „unterschlossische“ und eine „oberschlossische“ aufgeteilt wurde, spaltete sich auch die jüdische Gemeinde. Die beiden Gemeinden wurden erst 1784 wieder zusammengefügt.
Zu Beginn des 18.Jahrhunderts wurde ein lange schwelender Konflikt zwischen der Ortsherrschaft und der Ichenhausener Judenschaft durch den so genannten „Burgauer Rezess“ beigelegt. In den folgenden Jahrhunderten vergrößerte sich die jüdische Gemeinde stetig. Der Markt Ichenhausen beherbergte zu Beginn des 19.Jahrhunderts die nach Fürth größte jüdische Gemeinde auf bayrischem Territorium. Um 1800 zählte die jüdische Gemeinde Ichenhausen etwa 1.000 Angehörige, 20 Jahre später ca. 1.100; damit waren in Ichenhausen nahezu 45% (!) der Einwohnerschaft Juden. Bis um 1870 hatten christliche und jüdische Gemeinschaft jeweils eine eigene bürgerliche Gemeinde mit eigenständiger Verwaltung gebildet. Als im Jahre 1805 Ichenhausen ans Königreich Bayern fiel, wurden die Rechtsverhältnisse der Juden neu geregelt; den Juden wurden Bürgerrecht und Gewerbefreiheit zugesichert, doch ihre Freizügigkeit wurde beschränkt; dies führte dazu, dass vor allem junge Juden auswanderten. 1861 wurde ihnen die volle Freizügigkeit zugestanden; dies bewirkte, dass viele Landjuden in die wirtschaftlich attraktiveren Städte zogen.
Die große jüdische Gemeinde besaß neben einer ansprechenden Synagoge auch ein Gemeindehaus mit Wohnungen und Wochentagssynagoge, ein Rabbinatshaus, eine Elementarschule, eine Mikwe und einen eigenen Friedhof auf dem Galgenberg; dieser war bereits um 1570 angelegt worden.
An Stelle eines 1687 errichteten Gotteshauses ließ die Judenschaft 1781 einen repräsentativen Synagogenneubau im frühklassizistischen Stil errichten; Baumeister war Joseph Dossenberger vom benachbarten Augustinerchorherrenstift Wettenhausen. Die Synagoge bildete - als Sitz eines Rabbiners bzw. Oberrabbiners - fortan den religiösen Mittelpunkt der größten jüdischen Gemeinde Schwabens.
Personen, die das Amt des Rabbiners bzw. Oberrabbiners in Ichenhausen (meist über viele Jahre hinweg) bekleideten waren: Rabbiner Meyer Levi Ellinger (von 1775 bis 1828), Rabbiner Isaak Hochheimer (von 1828 bis 1861), Rabbiner Dr. Elieser (Lazarus) Löb (von 1862 bis 1874), Rabbiner Dr. Aron Cohn (von 1874 bis 1920) und Rabbiner Dr. Samuel Neuwirth (von 1924 bis 1932). Die letzten beiden in Ichenhausen amtierenden Bezirksrabbiner waren Simon Schwab (er emigrierte 1936 in die USA) und Dr. Gerhard Frank, der zwei Jahre später in die Niederlande ging.
1852 wurde der Synagogenraum erweitert bzw. umgestaltet.

 


Synagoge Ichenhausen, hist. Postkarte (aus: Staatsarchiv Augsburg) und hist. Aufn. um 1925 (aus: Sammlung Th. Harburger)

Mitte der 1890er Jahre wurde nahe der Synagoge ein neues Rabbinatsgebäude errichtet.
1896 und 1929 wurde das Synagogengebäude umfassend renoviert; nach den Umbaumaßnahmen fanden jeweils Einweihungsfeierlichkeiten statt.
Seit Anfang der 1830er Jahre besaß die Gemeinde ein eigenes Schulhaus in der Hubergasse. Auf Grund der hohen Schülerzahl erteilten vier jüdische Lehrer hier Elementarunterricht; diese Schule, die um 1930 nur noch ca. 30 Kinder aufsuchten und in der in den folgenden Jahren aber kein regelmäßiger Unterricht mehr stattfand, wurde 1941 geschlossen.
 
In Ichenhausen gab es zahlreiche jüdische Vereine für verschiedene Interessengruppen, z.B. den Verein für Krankenfürsorge (Bikkur Cholim), einen Israelitischen Frauenverein, den jüdischen Jugendverein, den Lernverein „Talmud Thora“ sowie den Sportbund „Makkabi“.
 
Bis zur Anlage eines eigenen Friedhofs (um 1570) wurden verstorbene Ichenhausener Juden auf der zentralen Begräbnisstätte in Burgau beerdigt; gegen den Willen des Burgauischen Landamtmanns, der fortan auf die Begräbnisgebühren der Ichenhausener Juden verzichten musste, genehmigte die Habsburgische Herrschaft das neue Begräbnisgelände. Auf dem Ichenhausener Judenfriedhof - am südlichen Ortsrand gelegen - fanden im Laufe der Jahrhunderte mehr als 7.000 Begräbnisse statt; etwa 1.000 Grabsteine - die ältesten davon stammen aus dem 18.Jahrhundert - sind bis heute erhalten geblieben.
Anfang der 1930er Jahre (!) wurde hier eine Friedhofshalle neu errichtet.

            
Taharahaus (Aufn. GFreihalter, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Die meist im Handel tätigen Juden des Marktes Ichenhausen lebten mit der christlichen Bevölkerung bis zu Beginn der Weimarer Republik einträchtig zusammen. Das von religiöser Toleranz geprägte Nebeneinander von Juden und Christen blieb - von Ausnahmen abgesehen - bis Mitte der 1930er Jahre bestehen. Die 1923 gegründete NSDAP-Ortsgruppe versuchte, durch antisemitische Parolen die Atmosphäre zu vergiften; 1929 wurden Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof umgestoßen.
Als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen, lebten in Ichenhausen noch mehr als 300 Juden; ihnen gehörten etwa 60 Geschäfte/Betriebe, darunter allein knapp 20 im Textilbereich. Am 1.4.1933, dem Tag des reichsweiten Boykotts jüdischer Geschäfte, wurden auch in Ichenhausen SA-Posten vor die Läden gestellt, um „arische“ Käufer am Betreten zu hindern. Wenig später begann die soziale Ausgrenzung der Juden von Ichenhausen. Trotzdem blieben noch bis zum Novemberpogrom persönliche menschliche Beziehungen zwischen den Einwohnern beider Konfessionen soweit in Takt; die Versuche der NSDAP-Kreisleitung, Juden von Nicht-Juden strikt zu trennen, liefen weitgehend ins Leere. Über die Haltung der Ichenhausener Bevölkerung gibt ein Bericht der lokalen Gendarmerie vom 3.2.1934 Auskunft:  ".... In den letzten Jahren konnte man unter der bäuerlichen Bevölkerung immer hören, wenn kein Jude auf dem Markt ist, geht kein Handel, denn nur der Jude bringe den Handel ins Leben. Das Volk erkannte aber immer zu wenig, daß der Jude stets mit dem anderen Juden zusammenarbeitet. ...“
Als 1935 ein neuer NSDAP-Ortsgruppenleiter, ein hiesiger Bäckermeister, sein Amt antrat, rückte dieser von der judenfeindlichen Politik seines Vorgängers ab, um eine gewisse wirtschaftliche Belebung im Orte herbeizuführen; die Beziehungen zwischen Ichenhausener Juden und dem christlichen Bevölkerungsteil waren so auch bis 1938 „im ganzen gut”. Die gewalttätigen Ausschreitungen während des Novemberpogroms von 1938 wurden vor allem von SS-Angehörigen aus dem benachbarten Günzburg initiiert; aber auch einheimische HJ und örtliche SS waren an den Exzessen beteiligt. Fast 100 Juden wurden gewaltsam aus ihren Wohnungen ins Rathaus geschleppt und z.T. verprügelt. Ortsbewohner, darunter auch Kinder und Jugendliche, drangen in die Synagoge ein und zerschlugen Fenster und Teile der Inneneinrichtung; wertvolle jüdische Kultgeräte wurden vernichtet. Nachdem versucht wurde, die Synagoge in Brand zu setzen, griffen Nachbarn erst ein, als ein Übergreifen des Brandes auf ihre Häuser befürchtet wurde. Während der Ausschreitungen wurden die Privathäuser der Juden verschont; allerdings wurde der jüdische Friedhof geschändet; Hunderte von Grabsteinen wurden umgeworfen, zahlreiche zerschlagen. Nach dem Pogrom mussten jüdische Frauen - in Anwesenheit des NSDAP-Kreisleiters von Günzburg - die zerstörte Inneneinrichtung aus der Synagoge entfernen und teilweise unter dem Gespött der Bevölkerung auf den jüdischen Friedhof fahren; als Kopfbedeckung mussten sie die in der Synagoge aufbewahrten Zylinder tragen.
Auch im November 1939 kam es zu antijüdischen Ausschreitungen, wie ein Bericht des Reg.präsidenten Schwaben vom 8.11.1939 vermeldet:
„ ... In Ichenhausen, Landkreis Günzburg, wurden jeweils während der Nachtstunden von unbekannten Tätern gegen Juden Einzelaktionen unternommen, wobei Ruhestörungen, Sachbeschädigungen und auch Entwendungen von Lebensmitteln verübt wurden. Es handelt sich um eine Rückwirkung auf die in Polen an Deutschen verübten Greuel. ...”

Etwa 170 Juden Ichenhausens konnten zwischen 1933 und 1941 ins Ausland, zumeist in die USA, emigrieren; die noch etwa 130 in Ichenhausen zurückgebliebene Menschen wurden in drei Transporten nach Theresienstadt, Lublin oder Auschwitz-Birkenau deportiert; der letzte Transport (am 8.März 1943) wurde für die letzten zehn verbliebenen jüdischen Bewohner eine Fahrt in den Tod.
Drei Jahre nach Kriegsende mussten sich elf am Pogrom von 1938 beteiligte Männer vor dem Landgericht Memmingen verantworten; sie wurden zu Haftstrafen zwischen vier und 20 Monaten verurteilt.
Nach Kriegsende kehrte kein jüdischer Überlebender mehr nach Ichenhausen zurück.
Das Ichenhausener Synagogengebäude wurde bis 1945 als Lagerraum genutzt; ab Ende der 1950er Jahre diente es als Feuerwehrhaus. 1980 wurde auf Anregung des damaligen Landrates ein „Aktionskreis ehemalige Synagoge Ichenhausen” ins Leben gerufen. 1985/1987 wurde die ehemalige Synagoge saniert und restauriert und als „Haus der Begegnung” Ende 1987 eingeweiht. Seit 1991 wird in den oberen Räumen der Synagogenempore eine Dauerausstellung „Juden auf dem Lande. Beispiel Ichenhausen” gezeigt.

 


Restauriertes Synagogengebäude in Ichenhausen - Außen- u. Innenansicht (beide Aufn. J. Hahn, 2004)


Im Keller des 1781 erstellten Anbaus der Synagoge wurde 2003/2004 eine Mikwe freigelegt und restauriert. Im Vorhof der ehemaligen Synagoge erinnert eine Gedenkwand namentlich an die ermordeten Juden Ichenhausens.

 
Gedenkwand (Aufn. J. Hahn, 2004, aus: alemannia-judaica.de)

Ein weiteres steinernes Dokument - der um 1570 angelegte Friedhof - erinnert mit seinen etwa 1.000 noch erhaltenen Grabsteinen und einem Tahara-Haus ebenfalls an die einst bedeutende jüdische Gemeinde von Ichenhausen.


Jüdischer Friedhof in Ichenhausen

Die Stadt Ichenhausen hat zur Erinnerung an Arnold Erlanger (gest. 2007), einem Überlebenden des Holocaust, eine Straße nach diesem benannt.
               


Quellen:Rudolf Saumweber Vortrag "Jüdisches Leben in Burgau und in anderen Orten der Region", "Historisches     Lexikon Bayerns", Sabine Ullmann, Archiv der Stadt Burgau, "Burgau" von Alexander Schulz,  Archiv des     Hist. Vereins Burgau Stadt und Land e.V.,     Klaus-Dieter Alicke, “Jüdische Gemeinden” 2015, 2. Auflage.
Bilder:     Archiv Hist. Verein Burgau Stadt und Land e.V.
      
 
                                    Irmgard Gruber-Egle
                                    Historischer Verein
                                    Burgau Stadt und Land e. V.
                                    Bilder und Text urheberrechtlich geschützt, kopieren und vervielfältigen nur mit Genehmigung der Urheberin