Im Wiener Hof-Theater Almanach von 1806 ist zum 14. November das Schauspiel „Adelheid, Markgräfin von Burgau“ von Johanna von Weißenthurn verzeichnet. Die Autorin des „Burgauer“ Ritterschauspiels machte in Wien eine außergewöhnliche Karriere. Sie war 1773 in Koblenz als Tochter des mäßig erfolgreichen Schauspielers Benjamin Grünberg geboren worden. Nach dem frühen Tod des Vaters schlug sich die Familie ohne Schule für die Kinder mühsam durch, wobei Johanna schon als Kind mit ihrem schauspielerischen Talent zum Unterhalt beitrug. 1789 kam sie an das Hoftheater nach Wien und war dort 53 Jahre bis zu ihrer Abschiedsvorstellung im Jahr 1842 engagiert. Von der jugendlichen Liebhaberin über Hetären- und Mutterrollen bis zur weisen alten Frau spielte sie alle Charaktere. Ihr an- geheirateter Adelstitel Johanna Franul von Weißenthurn brachte ihr in der illustren Künstlerszene einen gewissen Konkurrenzvorteil. Johanna trat 1809 in einer Privatinszenierung für Napoleon im Schloss Schönbrunn als Phädra in der von Schiller übersetzten Tragödie von Racine auf und hielt die Ansprache bei der Festvorstellung im Hoftheater 1813 nach der Völkerschlacht bei Leipzig. Neben der Schauspielerei schrieb sie über 60 Theaterstücke, wobei die erfolgreicheren in acht Bänden gedruckt erschienen, die „Markgräfin von Burgau“ 1810 in Band 4. Sie kultivierte das historische und auch das Familienrührstück. Beim Publikum hatte sie meist großen Erfolg, die Kritiker zeigten sich vom künstlerischen Aspekt ihrer Schauspiele gelegentlich weniger beeindruckt. Allerdings muss man die Autorin im Kontext ihrer Zeit in Wien sehen: nach 1770/1775 wurden am Hoftheater an der Burg (heute Burgtheater) die durchgehend französischen, gelegentlich italienisch-sprachigen Stücke trotz Protestes des Adels abgeschafft. Der Sohn von Maria Theresia, Kaiser Joseph II. (reg. 1765-1790), bevorzugte das deutsche Sprechtheater. Statt der italienisch geprägten Oper förderte er das deutsche Singspiel. 1781/82 beauftragte er Mozart persönlich mit der Komposition der „ Entführung aus dem Serail“, wozu Mozart sich schamlos aus einer erst im Vorjahr von Christoph F. Bretzner in Leipzig gedruckten Operette bediente. Kaiser Joseph II. beendete die finanzielle Misere des Theaters, machte die Schauspieler zu Hofbeamten und verbot per Dekret „traurige Stücke“, die Hofstaat und kaiserliche Zuschauer in schlechte Stimmung bringen könnten. Hamlet sowie Romeo und Julia wurden deswegen nicht vom Spielplan gestrichen, sondern die deutschsprachigen Fassungen mit einem sogenannten „Wiener Schluss“ (Happy End) umgeschrieben. Romeo und Julia lebten so bei den Wiener Aufführungen munter weiter.
Abb: Johanna Franul von Weißenthurn (Lithographie)
Die erste Rolle von Johanna Grünberg (später von Weißenthurn) am 15. Oktober 1789 am Hoftheater in Wien war die letzte Aufführung, die Kaiser Joseph II. vor seinem Tod dort sah.
Für das Schauspiel „Adelheid, Markgräfin von Burgau“ hatte die Autorin über das Ende der Burgauer Markgrafen aus dem Hause Berg wohl nachgelesen. Sie erwähnt den letzten Markgrafen Heinrich (III.) als Vater von zwei Töchtern ohne Nachfolger im Mannesstamm. Bekannt sind ihr das Interesse der bayerischen Herzöge an der Markgrafschaft Burgau, wobei hier anstatt der bekannten Belagerung um Adelheid geworben wurde. Auch die Aufnahme einer der Töchter im Kloster St. Katharina in Augsburg und das Wappen der Burgauer Markgrafen kennt sie. Den historischen Rahmen vermengt die Autorin mit Motiven aus der Burgauer Sage „Adelheid die fromme Gräfin“, die in den von Frau Rehklau zum 850-jährigen Stadtjubiläum zusammengestellten Burgauer Sagen und Geschichten enthalten ist. Eine der Markgrafentöchter nennt sie nach dem überlieferten Namen Agnes, die zweite, deren Namen damals noch unbekannt war, Adelheid, wie in der oben genannten Sage. Allerdings ist Adelheid bei J. von Weißenthurn die böse Schwester. Eine romantisch dramatische Geschichte abseits der Historie spielt sich dann auf der Bühne ab: die ältere Tochter Markgräfin Adelheid ist in den Verlobten ihrer Schwester, Graf Hugo von Weidenau verliebt. Mit Hilfe des intriganten Kanzlers Bruno betäubt sie Agnes am Verlobungstag mit einem Schlaftrunk, gibt sie für tot aus und verbringt sie für sieben Jahre in ein verstecktes Verlies im Schlossturm. Sie hofft dass Hugo, wenn er von dem Kreuzzug zurückkommt, die Schwester vergessen hat und sie heiratet. Der Kanzler Bruno aber möchte über die im Verlies sitzende Agnes in Besitz der Markgrafschaft kommen. Er bedrängt diese ihn zu heiraten und dann Adelheid mit Aufdecken ihrer Schandtat zur Seite zu schieben. Als Graf Hugo nach langen Jahren vom Kreuzzug zurückkehrt kann er den „Tod“ seiner Agnes immer noch nicht verwinden, an Adelheid zeigt er wenig Interesse. Diese bereut ihre böse Tat schließlich und überschreibt die Markgrafschaft der im Verlies schmachtenden jüngeren Schwester Agnes. An einem Klaratage geht Adelheid zur Verbüßung ihrer Untaten ins Kloster St. Katharina nach Augsburg und in einer melodramatischen Schlussszene wird ihre Schwester Agnes ihrem Liebsten, Graf Hugo von Weidenau zugeführt. Überraschend bleiben die Habsburger in diesem Wiener Schauspiel als Nachfolger der Burgauer Markgrafen außen vor.
Dies doch kräftig aufgetragene romantische „Burgauer“ Ritterstück lief ab 1806 im Wiener k. k. Hoftheater an der Burg sowie an vielen großen deutschsprachigen Bühnen wie Düsseldorf, Dresden, Prag, National Theater Berlin, Mannheim etc. Am Mittwoch, den 2. Juni 1813, war die erste Aufführung an Goethes Haus-und Hofbühne in Weimar. Was der Theaterdirektor und Geheimrat dazu äußerte ist nicht überliefert. Fast tragisch ist, dass das „Burgauer“ Ritterschauspiel ausgerechnet mit dem Ende der Markgrafschaft 1806 und der Übergabe an Bayern anlief. Der vorliegende Originaltext muss im Rahmen der damaligen Zeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts gesehen werden, das heutige aufgeklärte und nüchterne Publikum täte sich daran schwer. Immerhin war damit die Burgauer Markgrafenherrlichkeit noch ca. zehn Jahre zumindest auf den deutschen Theaterbühnen präsent.
Literatur:
Johanna Franul von Weissenthurn, geborene Grünberg: Adelheid, Markgräfin von Burgau, in: Schauspiele, vierter Band, Wien 1810, S. 1 - 99.
Journal des Luxus und der Moden, Jahrgang 22, Weimar Januar 1807 sowie vom März 1814 (Aufführungskritik).
Theater-Journal, 3. Bd. 5. Heft, ca. 1808, S 129-135.
Kürschner Josef, „Franul von Weißenthurn, Johanna“, in: Allgemeine Deutsche Biografie 7 (1878), S. 276-277.
Theaterzettel Weimar vom 2. Juni 1813 (Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar).
Abbildung:
Johanna Franul von Weißenthurn (Lithographie)
Dr. Philipp Jedelhauser
Historischer Verein Burgau Stadt und Land e.V.
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