Für den November soll in den „Geschichten“ ein bayernweite Tradition behandelt werden, die auch im Raum Burgau eine lange Geschichte hat, das „Schafkopfen“.

In den 1960 er/70er Jahren waren die Kartenrunden noch in jeder Dorfwirtschaft zu sehen. In der ruhigen Zeit von Oktober bis März wurden landauf, landab beim „Preisschafkopfen“ die Könige der Spielerzunft ermittelt. Besondere Bewunderung galt Frauen, die in dieser Männerdomäne wilderten. Am Günzburger Gymnasium gab es Phasen, wo von Fahrschülern, im Aufenthaltsraum und teils zwischen den Unterrichtsstunden unter der Bank gekartelt wurde, so dass für manche Eleven das Spiel zum Fächerkanon zu zählen schien.
Merkwürdigerweise ist die Etymologie, die Abstammung der Bezeichnung Schafkopf für das Spiel bis heute nicht eindeutig zu klären. Die vielen Abhandlungen erstrecken sich vom Spielen auf einem Fassdeckel (Schaffkopf vom Dialektwort Schaff für Fass - so wurde das Spiel gelegentlich auch geschrieben) bis zu Strichaufzeichnungen zum Spielverlauf in rudimentärer Form eines Schafkopfes. Das Kartenspiel hat sich wahrscheinlich aus dem „Deutsch Solo“ entwickelt, das bereits viele Grundelemente des bayerischen Schafkopfs hatte, wie variable und feste Trümpfe sowie die Partnerfindung durch Rufen einer Ass. Das „Deutsch Solo“ war ein vereinfachter Ableger eines in Frankreich und Spanien im ausgehenden 17. Jahrhundert gepflegten höfischen Spieles, dem „d`Hombre oder „Lomber“. Die Nebenrolle der Könige im Schafkopfspiel, die von Ober und Unter geschlagen werden, lässt die Anfänge des  Spiels nicht vor der Zeit der späteren Aufklärung im 18. Jahrhundert vermuten. Die ersten schriftlichen Erwähnungen des Schafkopfs finden wir allerdings nicht in Bayern, sondern in Sachsen. Die Straf- und  Bußgeldordnung des Leipziger Rechtsgelehrten Karl Ferdinand Hommel von 1782 bemerkt zum Schafkopfspiel in bestem Juristenlatein, dass dieses im Gegensatz zum „Hazard“ kein Glücksspiel sei. Offensichtlich war bereits damals klar, dass zu diesem Spiel Denkvermögen und strategische Fähigkeiten Voraussetzung sind. 1811 wurde Schafkopf in einer Beschreibung deutscher  Kartenspiele genannt, die Paul Hammer in Leipzig herausgab. Der Maler Heinrich Vester berichtet dann im März 1836, dass er die Winterabende in Cottbus (Brandenburg) bei einer Familie zugebracht habe, „...wo ein vernünftiger Schafkopf gespielt wurde“. Nach dem Vorbericht des unten genannten bayerischen „Schafkopf-Büchleins“ von 1895 sei eine ältere Form des Schafkopfs im „Norden“ anfangs  mit französischen Karten gespielt worden. In Band III. des Bayerischen Wörterbuches von 1837 wird „Schafkopf“ erstmals in Bezug auf Bayern erwähnt. Das heutige bayerische Kultspiel war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunächst in Franken bekannt (z.B. 1849 Gräfenberg bei Forchheim) und hat sich über die Oberpfalz und den Bayerischen Wald in den Stammlanden verbreitet. Das erste Regelbuch des bayerischen Schafkopfs erschien 1895 in Amberg/Oberpfalz (Das Schafkopf-Büchlein).
.In amerikanischen Bundesstaaten mit stärkerer deutscher Einwanderung wie Minnesota und Wisconsin brachten die Neubürger im 19. Jahrhundert eine ältere Variante des Schafkopfspiels mit. Dieses dort etwas abgewandelt als „Sheepshead“ bekannte Spiel war sehr populär und auch in gehobenen Damenkreisen ein beliebter Zeitvertreib. Die Verbreitung des Spiels litt dann sehr unter der Distanzierung zur deutschen Kultur während des Dritten Reiches.
Im Volk weitverbreitete Kartenspiele laden natürlich auch zum Gebrauch für politische Zwecke ein. Johann Christoph von Aretin, Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, hatte 1819 einen auch für Schafkopf verwendbaren Kartensatz verbreitet, der die nationalbayerische Gesinnung im jungen Königreich befördern sollte. Auf den Assen waren bayerische Fahnen, eine Karte der bayerischen Gebietsverluste wie Tirol, Kärnten etc. und der bayerische Löwe gedruckt. Die Könige stellten wahrhaftige Vertreter der Wittelsbacher vor, beginnend mit Otto von Wittelsbach, dem Dynastie-Gründer mit der Herzogswürde ab 1180. Zum Landtagswahlkampf von 2013 verteilte eine kleinere Partei ein Schafkopfspiel mit einer eher humorvollen politischen Variante. Auf den entbehrlichsten Karten, den nicht einmal beim „langen Schafkopf“ gebrauchten Sechsern, waren die Landespolitiker der großen Konkurrenzparteien abgebildet: Horst Seehofer, Markus Söder, Christian Ude und Martin Zeil, wobei Markus Söder als vermuteter kommender Ministerpräsident bereits einen Heiligenschein trug. Die vier Herren sind diesem Wahlkampfcoup offensichtlich mit Humor begegnet.

                        
Das schöne Spiel hat viele positive Aspekte: Stammtischrunden können dabei wunderbar entspannen, streitende politische Kontrahenten in Stadt-und Gemeinderäten sind nach den Sitzungen dabei wieder friedlich vereint, Neubürger in Dorfgemeinschaften genießen in der Kartenrunde schnell Respekt.

Trotz der neueren Regelfestlegungen beim großen Kongress des Bayerischen Schafkopfvereins am 17. Dezember 1989 im Münchner Hofbräuhaus und Überarbeitung durch die Schafkopfschule e. V. (München) gibt es weiter regionale Varianten. Diese hat Adam Merschbacher in seinem Werk „Schafkopf. Das anspruchsvolle Kartenspiel“ von 2009 beschrieben.
Man kann nur hoffen, dass diese bayerische Tradition nicht dem Ableben der Dorfwirtschaften und der Internet-Süchtelei der jungen Generation zum Opfer fällt.
Im Schafkopf-Büchlein von 1895 ist die folgende dichterische Lobpreisung dieses bayerischen Kultkartenspieles abgedruckt:

 „Von den Kartenspielen allen
hat  mir keines so gefallen,
Als das edle Schafkopfspiel,
Weil der Kopf muss schaffen viel.
Willst du „Schafkopf“ spielen fein,
Darfst du ja kein Schafskopf sein!
Darum lassen vom Taroken
Noch so manche sich verlocken,
Weil der edle Schafkopf ihnen
Viel zu geistreich ist erschienen.
Spannend stets und wechselreich,
Nicht ein Spiel dem andern gleich!
Schafkopf hat mich nie gereut,
Und was mich am meisten freut,
Ist, dass hier die Männer gelten
Schafkopf soll mir Keiner schelten!“

Anm:  die vorletzte Zeile dürfte heute der Gleichstellungsbeauftragten zum Opfer fallen.

Literatur:
Bernhard Löffler: Schafkopf als Quelle und Statement, in: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg, 156. Band 2016, Regensburg, 2017, S. 83- 91.

Karl Ferdinand Hommel: Rhapsodia quaestionum in foro quotidie obvenientium... Band III, Druck Bayreuth 1782, S. 115,  „Schafkopf ...non est ludus merae fortunae.“

Paul Hammer: Die deutschen Kartenspiele oder Anleitung die üblichen gesellschaftlichen Spiele mit der deutschen Karte als Solo, Kontra, Schafkopf...zu lernen. Leipzig 1811. 

Brandenburgisches Landeshauptarchiv in Potsdam: Die Cottbuser Tagebücher des Malers Heinrich Fester von 1835-1852, herausgegeben und im Internet veröffentlicht durch Hartmut Regenstein, Eintrag vom 14. März 1836.

Johann Andreas Schmeller: Bayerisches Wörterbuch Band III. und IV., München (1837),
2. Ausgabe 1877 (als Bd. 2 zusammengefasst) von Georg Carl Frommann, S. 378.

Der Zuschauer an der Pegnitz (Zeitschrift), 2. Jahrg., Nr. 3, Nürnberg 6. Januar 1849, S. 12, Gedicht über einen Abend mit Schafkopfrunde im Gasthaus zu Gräfenberg (Krs. Forchheim).

Das Schafkopf-Büchlein. Ausführliche Anleitung (A. in Prosa und B. in Poesie) zum Erlernen und Verbessern des Schafkopfspieles mit deutschen Karten. Erschienen im Selbstverlag „Obsis“, Amberg 1895, Gedicht auf S. 27f. (Bayer. Staatsbibliothek Signatur: Gymn. 64 p).

Adam Merschbacher, Schafkopf. Das anspruchsvolle Kartenspiel, 2. Aufl., München 2009.

Photo: Philipp Jedelhauser, Karten im Eigenbesitz, Genehmigung von Rechteinhaber ödp.

Dr. Philipp Jedelhauser
Historischer Verein Burgau Stadt und Land e.V.
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