Am Dreikönigstag im Jahre 1958 trafen sich dann wieder eine Hand voll aktiver und "alter" Faschingsmacher bei Albert Vogele sen. und brüteten die bereits vor der Tür stehende Faschingssaison aus. Heute undenkbar, bei all den Vorschriften und Auflagen, sozusagen "a Minut' vor zwelfe" etwas aus dem Hut zu zaubern. Aber 1958 klappte dies wunderbar und das "ausgebrütete Faschingsei" konnte sich sehen lassen, denn in diesem Jahr regierten "Spitz" Hermann Riederle und Rosemarie Schwarz, als "Prinz Hermann I." und als "Prinzessin Rosemarie I." das närrische Volk von Burgau.
"Prinzessin Rosemarie I." und "Prinz Hermann I." 1958 mit dem Hofmarschall "Claudius von Berligan"
Klaus Wiemer ein sogenannter "Preuße" kündigte als "Claudius von Berligan" den Hofstaat der Burgavia an und Hofnarr "Bimbo" (Karl Merk) begeisterte wieder alle Mäschkerla aus Nah und Fern.
Die Burgavia war dann auch in diesem Jahr wieder für den gesamten Faschingsverlauf in der Markgrafenstadt federführend, insbesondere für einen nach fünf Jahren wieder stattfindenden Faschingsumzug.
Bei der Burgavia gibt es seit den 60iger Jahren eine eigene Zeitrechnung, nämlich die Zeit "vor" und "nach" Aachen (1961). Diese Aachengeschichte werde ich Ihnen ausführlich beschreiben.
Es darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass kurz nach der Fasnacht 1958, Gerd Kühne zur Burgavia kam und auch bereits 1959 zu deren Präsident gewählt wurde. Ein Mann der von da an seine gesamte Freizeit und sein gesamtes Engagement der Burgavia widmete, bis zu seinem plötzlichem Tod 1965.
Wir sind aber noch im Jahr 1959, denn als närrische Regenten grüßten während dieser Saison der erst vor Kurzem verstorbene Roland Fischer, als "Prinz Roland I." und Brunhilde Schwarz, als "Bruni I.", die Narren von Burgau und Umgebung.
"Prinzessin Bruni I." und "Prinz Roland I." 1959
Die beiden hatten als Hofmarschall wieder "Hermanikus" (Hermann Riederle) und den bewährten und äußerst beliebten Hofnarr "Bimbo" in ihrem Gefolge.
Die Fasnachtsgeschichtsschreiber sind im Jahr 1960 angekommen und schon liegt die "Burgauer Depesche" und Aachen in der Luft.
Aber zuerst wollen wir Ihnen verraten wer in diesem Jahr das Prinzenpaar war. "Prinz Karl III." und "Prinzessin Brigitte I." - Karl Eggstein und Brigitte Adler - hielten in Burgau närrischen Hof.
Auch in der Fasnacht 1960 schlängelte sich wieder ein Faschingsumzug mit dem Motto "Alt Wien" durch Burgau begleitet und moderiert vom Hofmarschall "Hermanikus" und seinem Hofnarr "Bimbo".
"Prinzessin Brigitte I.", "Prinz Karl III." und der Hofmarschall "Hermanikus", so wie Präsident Gerd Kühne
Man höre und staune beim "Internationalen Frühschoppen" (1960) mit Werner Höfer und sechs Journalisten in der ARD, kam durch den österreichischen Journalisten Klaus Emerich, die Runde auf die scherzhafte Idee, dass Burgau wieder zu Österreich zurück wolle. Anlass und Auslöser zu dieser Aussage war der Besuch des damaligen österreichischen Außenministers Dr. Bruno Kreisky in Bonn. Sein Besuch stand nämlich unter dem Motto: Abstimmung der Auslandskulturarbeit der deutschsprachigen Länder, Bundesrepublik Deutschland, Österreich und Schweiz.
Jetzt war bei den Burgauer Faschingsmachern der berühmte "Groschen" gefallen und nun ging die in die Geschichte eingehende "Burgauer Depesche" an das Außenministerium in Wien mit folgendem Text:
"An seine Exzellenz, den Herrn Außenminister Bruno Kreisky, Außenministerium Wien (Österreich)
Die ehemalige österreichische Markgrafenstadt Burgau, die, wie Eurer Exzellenz bekannt, anno 1806 in das bayerische Königreich gewaltsam einverleibt und dadurch vom österreichischen Vaterland getrennt wurde, ist des sogenannten Wirtschaftswunders überdrüssig und hat beschlossen, bei Eurer Exzellenz anzufragen, ob es möglich wäre, während der Narrenzeit in den Verband des österreichischen Mutterlandes zurückzukehren. Sollten ernste, staatspolitische Erwägungen diesem vaterländischen Wunsch entgegenstehen, so ersucht die Bevölkerung unserer Stadt um gebührenden Trost durch den Besuch Eurer Exzellenz in Begleitung des Herrn Bürgermeisters von Wien, zu unserem närrischen Staatsfeiertag, der unter dem Motto "Wiener Prater" am 29. Februar gefeiert wird."
Die Rückantwort war ebenso humorvoll wie hintergründig:
"Ihre Depesche, die infolge ihrer staatspolitischen Bedeutung, dessen bin ich gewiß, als "Burgauer Depesche" in die Geschichte eingehen wird, hat den sagenumwobenen Ballhaus-Platz in unverstümmelter Form erreicht.
Ich habe, wie das hieramts seit den glorreichen Tagen Metternichs - die unverständlicherweise trotz des Verlustes Burgaus nach wie vor als glorreich bezeichnet werden - die Depesche den zufällig in meinem Dienstraum versammelten hohen Beamten zur Verlesung gebracht. Der ranghöchste der anwesenden Beamten - es gehört zu unseren Traditionen, daß, wenn mindestens zwei Beamte versammelt sind, immer einer der Ranghöhere sein muß -rief mit gedämpfter, aber doch vor Erregung leicht zitternder Stimme aus: "Das hat uns noch gefehlt ...!" Er meinte nämlich Burgau.
Nun zum konkreten Inhalt Ihres Petits, nämlich zur Rückkehr in den Verband des Mutterlandes, übergehend möchte ich Sie aufmerksam machen, daß es auch bei uns ein Wirtschaftswunder gibt, das allerdings, wie es sich gehört, kleiner sein muß, als das, unter dem Sie zu leiden haben. Offenbar scheint dies auf die sprichwörtliche Gabe des Österreichers zum Maßhalten zurückzuführen zu sein, wobei Maßhalten eigentlich ins Österreichische übersetzt "Krüglhalten" heißen müßte.
Ich glaube Anlaß zur Befürchtung zu haben, daß eine beträchtliche Unruhe dann entstehen würde, wenn im nächsten oder übernächsten Fasching, die offenbar zu einer gewissen nationalen Unrast neigende Bevölkerung Ihrer Stadt, nun des österreichischen Wirtschaftswunders überdrüssig, die Trennung von Österreich verlangen würde. Es scheint mir deshalb die von Ihnen vorgeschlagene Alternativlösung die weitaus vernünftigste und jedenfalls die wenigst präjudizielle zu sein. Leider zwingt mich die gegenwärtige Situation in Wien zu bleiben. Schließlich muß der Außenminister wenigstens zum Fasching in Wien sein. Aber es wäre durchaus denkbar, einen Vertreter der hohen Schauspielkunst, der besser als ich mit gebotenem Ernst und natürlicher Würde meine Vertretung übernehmen könnte, mit dieser Rolle zu betrauen. Es könnte allerdings geschehen, daß eine solche Betrauung an den hohen Gagenforderungen erfolgreicher Staatsschauspieler scheitern könnte.
Schließlich aber will ich meiner besonderen Freude über die historischen Reminiszenzen Ihrer Mitbürger, die wir alle sehr zu schätzen wissen, Ausdruck verleihen.
Wir sind ans Verzichten gewöhnt und haben seit 15 Jahren den Mut zur Kleinheit so stark entwickelt, weil wir glauben, daß er uns vor jenen Nachteilen bewahren wird, die sich aus zu viel Mut zur Größe ergeben dürften.
Ich wünsche Ihnen zum Gelingen Ihres Feste das Allerbeste. Staatsgeschäfte, gewiß weniger seriöser Art, halten mich zurück, an Ihrer so bedeutungsvollen Feierlichkeit teilzunehmen. Ich werde aber im Geiste mit und bei Ihnen sein.
Mit besten Grüßen
Ihr Kreisky"
Nach Burgau kam in Vertretung kein Staatsschauspieler, sondern kein Geringerer als der Sonderbotschafter aus Wien, Baron Dieter von Malsen-Ponickau. Er hatte in seinem Diplomatengepäck eine 10 kg schwere Sachertorte, mit 14 Siegeln.
Herr Dr. Bruno Kreisky weilte dann doch einmal in Burgau und zwar am 19.Oktober 1968 und es wurden in seiner Gegenwart die neu gestalteten Burgavia-Räume im Schloss eingeweiht.
Aufgrund dieses Briefwechsels mit Dr. Bruno Kreisky, schlug nun die Burgavia, den Herrn Außenminister Österreichs für den Orden "Wider den tierischen Ernst" vor.
Über die glamouröse Ordensverleihung im darauffolgenden Jahr, 1961 in Aachen, berichte ich im kommenden Jahr.
Bis dahin, Euch allen eine glückselige Fasnacht. Wir sehen uns doch bestimmt am Fasnachtsmeetigsumzug z' Burga am 4. März 2019 !?
I ond du, ond no a paar, semers rechte Lumpa, wemers Geld versoffa hand, nau gamer Wasser gompa! HIO HIO HIO!
Quellen: Norbert Kastner, Norbert Schuster sen. und jun., Archiv der Stadt Burgau
Frau M. Wenni-Auinger, Archiv des Hist. Vereins Burgau Stadt und Land e.V.
Irmgard Gruber-Egle
Historischer Verein
Burgau Stadt und Land e. V.
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