Schon wieder ist ein  ganzes Jahr vorbei, sowohl für die Schüler als auch für die Leser von Burgau aktuell. Seit einigen Jahren veröffentlicht der Historische Verein Burgau Stadt und Land e.V. im September einen Artikel über die Entwicklung der Schule und insbesondere über die in Burgau.

Grundlage unserer Berichte sind die Schulchronik Burgaus. Diese wurde sehr genau und differenziert von Norbert Schuster und Luise Haltmayer, untergliedert in die verschiedenen Bereiche des Schulwesens und  über die nachweisbaren Jahrhunderte, aufgeschrieben. Das sehr  komplexe Werk ist für Burgau von unschätzbarem Wert, da es auch genau alle Quellenangaben der Nachforschungen enthält.

Wir werden in diesem Jahr noch einmal die Berichte in der Chronik über die sogenannte gewerbliche Fortbildungsschule in Burgau näher ansehen.

Um die Jahrhundertwende - 19. Jahrhundert - machte sich eine Abwendung der Jugend von der Landwirtschaft bemerkbar, dafür aber mehr eine Zuwendung zu gewerblichen Berufen. Das mag wohl die Ursache des Burgauer Magistratsbeschlusses vom 19. Mai 1906 gewesen sein: Es sei statt der bisher bestehenden landwirtschaftlichen Fortbildungsschule eine gewerbliche zu errichten, da eine gewerbliche Fortbildungsschule für die hiesigen Verhältnisse entsprechender und notwendiger erscheint. Mit Erteilung des Unterrichts sollen die hiesigen Herren Lehrer betraut werden. Zur Bestreitung der entstehenden jährlichen Ausgaben sollen von hiesiger Gemeinde 150 M geleistet werden, sowie die Beheizung und Beleuchtung der Lehrzimmer im Anschlag von 150 M stattfinden. Während der weitere erforderliche Betrag durch Zuschuss aus Zentralfond, Kreis- und Distriktsmitteln und Wittelsbacher Landesstiftung und durch Zuschüsse des hiesigen Gewerbevereins gedeckt werden soll. Die Schule wurde am 2. Dezember 1906 durch Einschreibung der Schüler und Bekanntgabe der Disziplinarsatzung durch Lokalschulinspektor Schmid eröffnet. Der Unterricht begann am Montag den 3. Dezember 1906 nachmittags um 4 Uhr.

Die Schulordnung der gewerblichen Fortbildungsschule Burgau war sehr umfangreich.
Es seien nur ein paar sehr interessante und auch heute noch geltende Regeln zitiert:

  • Die gewerbliche Fortbildungsschule Burgau hat die Aufgabe, die in der Werktagsschule erworbenen Kenntnisse zu befestigen und mit besonderer Rücksicht auf den gewerblichen Beruf zu erweitern.
  • Die gewerbliche Fortbildungsschule ist eine Gemeindeanstalt, ihr Besuch obligatorisch und befreit unbeschadet der Verpflichtung des öffentlichen Religionsunterrichtes (Christenlehre) von dem Besuche der Sonntagsschule.
  • Die gewerbliche Fortbildungsschule besteht aus einer einkursigen Abteilung mit 6 Wochenstunden. Der Unterricht ist einschließlich des Zeichenunterrichtes unentgeltlich, doch haben die Schüler bzw. ihre Nährpflichtigen oder die Armenpflege der Heimatgemeinde für die Kosten der Lehrmittel aufzukommen.
  • Vorbehaltlich der Oberaufsicht der königlichen Kreisregierung und der Aufsicht des königlichen Bezirksamtes steht der Leitung der vom Stadtmagistrat bestimmten Schulkommission zu, welche besteht
    • a) aus den gesetzlichen Mitgliedern der Lokalschulinspektion,
    • b) aus dem Lehrpersonal der Fortbildungsschule,
    • c) dem Vorstande des Gewerbevereins Burgau.
  • Den Vorsitz der Kommission führt der königliche Lokalschulinspektor als Vorstand der Schule; Stellvertreter desselben ist der Bürgermeister.
  • Die Arbeitgeber haben die Verpflichtung, jeden bei ihnen eintretenden Schulpflichtigen innerhalb von 3 Tagen an- bzw. abzumelden und ihn sofort zum Schulbesuche anzumelden. Des weiteren haben die Arbeitgeber die Pflicht, ihren die gewerbliche Fortbildungsschule besuchenden Arbeiter unter 18 Jahren die vollständige Zeit zum Besuche dieser Schule, sowie des Zeichenunterrichtes zu geben und dieselben rechtzeitig und in reinlicher Kleidung zur Schule zu schicken. Insbesondere dürfen die Arbeitgeber dieselben an Schultagen nicht zu solchen, besonders auswärtigen Arbeiten verwenden, von denen angenommen werden kann, dass die Schüler dadurch den Unterricht ganz oder teilweise versäumen.
  • Die Schulstunden finden Montag und Freitag nachmittags im Winter (vom 1. November bis 31. März) von 4 - 6 Uhr, in der übrigen Zeit von 5 - 7 Uhr, an den Sonntagen von 10 - 12 Uhr statt.
  • Das Schuljahr beginnt am 1. Mai und endet am 30. April. Die Ferien richten sich nach denen der hiesigen Volksschule.
  • Zu Weihnachten und Ostern erhalten die Schüler Interimszeugnisse mit Angabe von Anlagen, Betragen, Fleiß und Fortschritt in den einzelnen Fächern.

Die Regularien und Vorschriften umfassen ursprünglich vier DINA 4 Seiten, nach heutiger Methode  mit einer Maschine beschrieben.


(Klicken zum Vergrößern)
Entlassungszeugnis der gewerblichen Fortbildungsschule in Ansbach  


Die Schüler der Gewerbeschule oder gewerblichen Fortbildungsschule Burgau wurden 1916 in folgenden Fächern unterrichtet:

  • Deutsche Sprache:
    • Lesen:
      Die Lesestücke umfassen poetische Inhalte, wie auch Stoff aus der    Geschichte, Natur-, Völker- und Vaterlandskunde und aus dem Volkswirtschaftlichen.
    • Aufsatz:
      Familien-, Freundschafts- und Höflichkeitsbriefe.
      Geschäftsbriefe, wie Bestellungen, Offerten, Mahnungen und Wechsellehre.
      Geschäftsaufsätze, wie Quittungen, Zeugnisse, Vollmachten und Verträge.
      Aufsätze naturkundlicher  und geschichtlicher Art.
  • Rechnen:
    Insbesondere Rechenaufgaben aus dem praktischen Leben.
  • Geographie:
    Bayern, Deutschland und die fremden Erdteile.
  • Geschichte:
    Grundzüge der bayerischen und deutschen Geschichte
  • Naturkunde:
    Die wichtigsten, besonders das Gewerbe betreffenden physikalischen Gesetze.
  • Buchführung:
    Theoretischer und praktischer Teil der Buchführung.
  • Wechsellehre:
    Theoretischer und praktischer Teil der Wechsellehre.
  • Zeichnen:
    • Abteilung I:  Geradlinige Figuren.
    • Abteilung II.  Kurven, Kreise, Spiralen, einfache Blattformen, leichte Ornamente.
    • Abteilung III:  Schwierige Ornamente, Schattierungen, geometrische Linien. Konstruktion von Kreisen, Drei- und Vierecken und Spiralen.
  • Lebens- und Bürgerkunde: 
    Gesundheitspflege und Gesundheitslehre, Anstandslehre und       Gewerbekunde. Aufgaben der Menschen im Berufe und im       Gemeinde- und Staatsverbande. Verknüpfungen aller Stände und      Gewerbegruppen.             Bürgerkunde, die Rechte und Pflichten der Gemeindebürger, wie der     Staatsbürger.  Unterweisung in den Unfallverhütungsvorschriften.

Diesen Unterrichtsplan unterschrieben am 19. August 1916 der Bürgermeister von Burgau, Bergmann und unter anderem Albert Frey vom hiesigen Gewerbeverein.

Die Grundzüge des späteren Aufbaus der Berufsschulen sind hier schon gut zu erkennen. Nach dem Ersten Weltkrieg ist dann der Weg zum dualen Ausbildungssystem vorgezeichnet, das in Deutschland bis zum heutigen Tag Bestandteil unserer Berufsausbildung ist.

Die Burgauer Schulchronik beinhaltet noch viel Stoff für viele weitere Beiträge, in denen es heißt: Schule einst und heute.

Quellen:
"Geschichte der Volksschule Burgau", von Norbert Schuster 1943, fortgeführt von Luise Haltmayer 1981
Bilder: Irmg. Gruber-Egle, privat
Text: Irmgard Gruber-Egle, Historischer Verein Burgau Stadt und Land e. V.
Bilder und Text urheberrechtlich geschützt, kopieren und vervielfältigen nur mit Genehmigung des Urhebers